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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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für anwendbar hältst.« Abou nickt. »Ich habe gehört, dass du dich unter Anleitung deiner Großmutter der Magie widmest.«
    »Nicht der Magie. Dem Bangré. Das bedeutet ... in eine andere Welt sehen zu können. In die Welt der Geister und Toten. Man sieht sozusagen das Unsichtbare.«
    »Gut. Könntest du sehen, wo sich dein Bruder befindet?«
    »Das habe ich bereits versucht«, gesteht Abou zerknirscht. »Aber ich habe nicht genügend Macht ...«
    »Und deine Großmutter? Könnte sie es tun?«
    »Sie? Oh, ganz sicher! Sie hat mir schon Leute gezeigt, die sehr weit weg waren.«
    »Und warum bist du dann nicht bei ihr? Worauf wartest du noch?«
    »Ich habe kein Fahrzeug. Félicité weigert sich, mir ihren Motorroller zu leihen.«
    »Aber ich habe ein Auto. Ruf sie am besten gleich an, dann fahren wir los.«
    »Sie hat kein Telefon.«
    »Ach! Können wir denn sicher sein, dass sie da ist, wenn wir hinfahren?«
    »Aber natürlich. Sie weiß immer, wann ich komme.«
    »Okay, dann lass uns losfahren.«
    »Kann Laurie mitkommen?«
    »Klar, wenn dir das so wichtig ist. Frag sie einfach.«
    Abou geht zu Laurie, die sich gerade mit Alimatou unterhält. Die Frau des Bürgermeisters leidet so, als hätte man ihren eigenen Sohn entführt. Rudy zieht es vor, ein wenig abseits zuwarten. Er sieht, wie Laurie die Augen zum Himmel erhebt, den Kopf schüttelt und Abou etwas erklärt. Niedergeschlagen kehrt der junge Soldat zu Rudy zurück.
    »Sie will nicht. Sie sagt, dass sie die Verantwortung für die Baustelle übernommen hat, und außerdem, dass ...«
    »Dass was?
    Abou senkt den Kopf, doch er spricht es trotzdem aus.
    »Dass ich nicht auf dich hören soll. Dass du mich in falschen Hoffnungen wiegst.«
    »Und wie denkst du selbst darüber?«
    »Ich glaube - bei allem Respekt, den ich ihr schulde -, dass sie sich irrt.«
    »Das glaube ich auch. Lass uns fahren, Abou!«
    Das schweigende Wissen
    Die Menschen kennen ihre Begierden; es ist eine laute und bewegte Welt, in der sowohl das Gute als auch das Böse existieren. Doch in der Welt der Menschen gibt es auch ein Schweigen; es ist das Schweigen des Wissens. Dieses Schweigen befindet sich mitten im Lärm, und nirgendwo anders. Diejenigen, denen es gegeben ist, ihre Aufmerksamkeit auf dieses Schweigen zu lenken, erkennen, was Wissen bedeutet.
Barkié Kaboré, Bangba aus dem Stamm der Mossi,
zitiert von Kabire Fidaali in Le Pouvoir
du bangré (1987)
    Rudy ist tief beeindruckt. Zunächst von dem Hof, diesem Hafen der Frische und des Lebens inmitten des trockenen Todes von Ouahigouya, diesem unerwarteten Paradies am Ende eines wahren Armageddons von Fahrt; dann von Hadé selbst, dieser stoischen Mama in ihrem bunten Boubou, die von ihren Patienten wie eine Heilige verehrt wird und die ihre Sprechstunde phlegmatisch und kompetent abhält, ohne Gefühlsregung und ohne je nervös zu werden, und zum Schluss von dem Fetisch im Hinterhof, den Abou ihm gezeigt hat, seinem ungemütlichen Anblick, den Amuletten und Talismanen und seiner blutigen Basis. Die ganze Atmosphäre erinnert ihn an die Reportagen, die er früher oft im Fernsehen als letzte Zeugnisse einer aussterbenden Lebensart gesehen hat. Damals hielt er diese Dinge für inszenierte Folklore und glaubte an eine schönfärberische Realität um der packenden Bilder willen - aber nein, alles ist tatsächlich wahr!
    »Vielleicht hätten wir ein Huhn mitbringen sollen«, sagt er. »Kennst du die Formeln, mit denen man die Geister beschwört?«
    Abou muss lachen.
    »Nein, Rudy, so geht das nicht. Dieser Fetisch ist für die Leute da, die sich zusätzliche Unterstützung wünschen und glauben, dass die Mittel meiner Großmutter nicht ausreichen, um sie zu heilen, oder die befürchten, verhext worden zu sein. Der Fetisch, mit dem man ins Bangré blicken kann, befindet sich in der Hütte und darf von niemandem benutzt werden.«
    »Oh, dann muss er ja ganz besonders schrecklich sein.«
    »Du wirst sehen...«
    Nachdem Hadé sie eine gute halbe Stunde hat warten lassen - Zeit, die sie für einen komplizierten Fall brauchte: einen von einer schlecht gereinigten Spritze mit Aids infizierten Mann -, lädt sie die beiden schließlich in ihre Hütte ein. Rudy sieht sich sogleich nach dem viel gerühmten Fetisch um. Sein Blick wird von den Masken mit den merkwürdigen Tiergesichtern gefesselt, dem Festgewand aus buntem Bast, den Kopfputzen aus Leder und Federn. Mit einem Nicken weist Abou ihn auf das mit Kaurimuscheln verzierte Tongefäß hin, aus

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