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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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dem ein dünner Rauchkringel aufsteigt. Rudy hebt die Augenbrauen - er hat das Ding für eine Art Backofen gehalten.
    Hadé bietet ihnen einen Becher klares, frisches Wasser aus dem mit geometrischen Mustern verzierten, in feuchten Sand gebetteten Tongefäß an. Abou erwartet das übliche, lange Schweigen, das sich den Sprechstunden seiner Großmutter anschließt - ihre Zeit der Sammlung -, doch kaum hat sie ihre opulente Kehrseite in dem niedrigen Sessel untergebracht, spricht sie ihren Enkel mit strenger Stimme an.
    »Abou, wozu dient das Bangré?«
    »Da ... dazu, im Unsichtbaren zu sehen«, antwortet Abou zögernd. Der verhaltene Zorn seiner Großmutter verwirrt ihn. »Dazu, die Geister der Toten und die zindamba zu treffen und Dinge der anderen Welt kennenzulernen.«
    »Darf man mit dem Bangré Menschen beeinflussen?«
    »Nein, Großmutter.«
    »Möchtest du ein schwarzer Hexer werden oder ein Rufer des Todes, ein djinamory?«
    »O nein!«
    »Dann tu so etwas nie, nie wieder, Abou! Du weißt, wovon ich spreche!«
    »Ja, Großmutter«, antwortet Abou beschämt.
    Angesichts von Rudys Unverständnis besänftigt sich Hadé und erklärt ihm mit einem kleinen Lächeln:
    »Dieser Strolch hatte die Idee, sein bisschen Wissen dazu zu gebrauchen, ein Mädchen an sich zu ziehen, in das er verliebt ist.«
    »Laurie?«
    »Eine Weiße mit blonden Haaren. Ich habe keine Anstalten gemacht, mehr über sie zu erfahren, denn das Alter für libidinöse Visionen habe ich längst hinter mir.«
    Rudy prustet los. Hadé fällt in sein Lachen ein und macht sich über Abou lustig, der mit dem Kopf zwischen den Knien auf seiner Matte kauert. Plötzlich jedoch wird sie wieder ernst.
    »Das Bangré ist eine ernsthafte Sache, die sehr gefährlich werden kann, wenn man damit Kräfte mobilisiert, die man nicht meistert. In Abous Fall wurde die unsichtbare Weltordnung allerdings kaum gestört, denn die Frau, die er im Visier hat, ist längst bereit. Aber wenn er weitergeht, könnte er sehr schädliche Kräfte auf sich ziehen. Einige schleichen schon um ihn herum.« Nach kurzem Schweigen setzt sie hinzu: »Sie sind auch in Ihrer Nähe, Rudy. Aus diesem Grund habe ich Ihnen gestattet, mein Haus zu betreten. Sie sollen Zeuge der Macht des Bangré werden. Vielleicht können Sie im richtigen Moment daraus die Kraft schöpfen, die bösen Kräfte zu bekämpfen.«
    Erstaunt wartet Rudy auf mehr, doch es kommt nicht. Hadé hat die Augen geschlossen und scheint in ihrem niedrigen Sessel eingenickt zu sein.
    »Können Sie mir vielleicht Genaueres dazu sagen?«, drängt er.
    Ein Ellbogenstoß Abous und ein auf die Lippen gelegter Zeigefinger bedeuten ihm zu schweigen. Rudy gehorcht nur widerwillig, aber gut, möglicherweise handelt es sich ja um ein Ritual oder um eine gewisse Zeit für die Enthüllungen, die er nicht ins Wanken bringen darf. Doch wie dem auch sei, er schwört sich, dass er die Hütte nicht verlassen wird, ohne erfahren zu haben, woran er sich halten soll und wen er bekämpfen muss.
    Nach einer halben Ewigkeit, während der Rudy mehrfach nicht übel Lust hat, aufzustehen und zu gehen, jedoch immer von Abou zurückgehalten wird, und während der er sich nicht nur einmal fragt, ob sie den ganzen, mühsamen Weg nur gemacht hatten, um einer etwas exzentrischen alten Frau bei ihrer Siesta zuzusehen, richtet sich Hadé plötzlich auf und öffnet die Augen.
    Sie haben alle Farbe verloren.
    Zwei abgrundtiefe Wasserlöcher, die sich auf das Unsichtbare richten.
    Mit tonloser Stimme und ohne ihn anzusehen, fordert sie Abou auf, die ihm bekannte Kalebasse zu holen und drei Prisen des darin enthaltenen Pulvers in den Fetisch zu streuen.
    Abou tut wie geheißen. Kaum ist das Pulver im Fetisch, als ein dichter, brauner, herber, erstickender Rauch aus der Öffnung des Tongefäßes steigt. Abou kehrt an seinen Platz auf der Matte vor dem Sitz seiner Großmutter zurück. Beiden scheint der Rauch nichts auszumachen, doch Rudy hat Erstickungsanfälle, hustet und blinzelt. Am liebsten hätte er den Vorhang am Eingang geöffnet, um ein wenig Luft in den Raum zu lassen, doch Abou hält ihn mit einem leichten Kopfschütteln davon ab.
    »Schau mir in die Augen«, fordert Hadé ihren Enkel auf. »Und atme langsam.«
    Abou kniet sich vor seine Großmutter hin, um auf gleicher Augenhöhe zu sein. Sein Atem wird langsam und tief. Rudys Kopf dreht sich. Mit roten Augen und gereiztem Hals flüchtet er sich in die Nähe des Eingangs, um wenigstens ein bisschen Luft zu

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