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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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weniger direkt betroffen: die Überreichung des Preises für das »Umweltfreundlichste Unternehmen des Jahres«, den die Hilfsorganisation Deep Forest, eine von Fullers Tochtergesellschaften, in diesem Jahr gewonnen hat. Deep Forest hat in der Wüste von Amazonien zehntausend Hektar Okoume-Bäume angepflanzt, ein Bauholz, das schnell und pflegeleicht wächst, wenig Wasser braucht und sich innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne rentiert. Die Stiftung Rothschild erkannte darin eine exemplarische Wiederaufforstungsaktion, einen Kampf gegen die zunehmende Verwüstung, einen Beitrag zur Wiederherstellung der Lunge der Erde und die Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort. Umso besser für Deep Forest. Fuller sieht darin eher eine wenig kostspielige Investition (eine Hilfsorganisation zahlt in Brasilien weder Steuern noch Abgaben), die sicheren Profit abwirft, und außerdem eine nicht zu offensichtliche Möglichkeit, in dem auf Asien fixierten Südamerika wieder einen amerikanischen Fuß in die Tür zu setzen.
    So muss er sich denn wohl oder übel im großen Ballsaal der Royal Towers im Scheinwerferlicht dem Publikum stellen, Franklin Rothschild die Hand schütteln und Ramón Ramirez, dem Präsidenten von Deep Forest, applaudieren. Nach der Laudatio, die wie üblich vom Direktor des Forums gehalten wird, erscheint ein märchenhaftes, nur mit dem Notwendigsten bekleidetes Geschöpf und überreicht Ramirez den Preis, einen dicken Umschlag und einen Pokal aus massivem Gold, der einen von zwei Händen geschützten Erdball darstellt. Küsschen hier und Küsschen da, dann legt Fuller brüderlich den Arm um die Schultern des Preisträgers, der unter einer wahren Flut von Klang und Licht seinen Preis schwenkt. Während der Rede von Ramirez zwingt sich Fuller, das Publikum nicht zu beobachten; dennoch fällt sein Blick geradezu zwangsläufig auf Fatimata, die nur wenige Reihen vor der Bühne sitzt und ihn unverwandt mit einem undeutbaren Ausdruck anstarrt. Neben ihr sitzt in einer schwarzen Lederjacke der Wikinger mit seinem dichten Schnurrbart, den glatten Haaren und einem düsteren Gesicht. Fuller wendet die Augen ab und nimmt sich vor, das ungleiche Paar auf keinen Fall mehr anzuschauen.
    Dann ist er an der Reihe. Er hat seine Rede vorbereitet und sich bemüht, sie auswendig zu lernen, doch sein Gedächtnis ist nach dem jahrelangen Missbrauch von Neuroprofen nicht mehr das beste. Und so holt er seine Notizen hervor und liest den ganzen Sermon ab, in dem er die Qualitäten von Deep Forest, die Hingabe an die Idee einer besseren Umwelt, den täglichen Kleinkrieg und die grandiosen Erfolge hervorhebt und ausdrückt, wie stolz er ist, die verdienstvolle Hilfsorganisation unterstützen zu dürfen. Und so weiter, und so fort.
    Nach dem Applaus greift Franklin Rothschild nach dem Mikrofon und verkündet, dass das Buffet eröffnet sei, und zwar sowohl im großen Ballsaal als auch in den beiden Anbauten Orion und Zeus - nach der Rotunde gleich rechts - für diejenigen, die mit dem folgenden Programmpunkt »gewisse Probleme« hätten:
    »Es handelt sich um die Harsh-Gruppe Kill Them All, die Idole unserer Kinder und Schrecken der Elterngeneration sind«, sagt er mit zweideutigem Lächeln. »Die Gruppe lebt die Musikrichtung, die sie selbst ins Leben gerufen hat, eine Weiterentwicklung dessen, was man früher industrielle Musik nannte. Diejenigen unter Ihnen, die im Stahlgeschäft tätig sind oder schon einmal ein Walzwerk besichtigt haben, wissen in etwa, was auf sie zukommt. Warum, so werden Sie mich fragen, wurden diese Klangterroristen auf das Programm gesetzt und nicht etwas Harmloseres und Sanfteres? Nun, gerade weil diese Gruppe alles andere als harmlos ist - wer von Ihnen kann sich schon rühmen, seinen Umsatz innerhalb eines Jahres um vierhundert Prozent gesteigert zu haben? Das aber ist der Fall bei HellTrax, dem eigenen Label von Kill Them All. Und wenn ich jetzt noch hinzufüge, dass die Gruppe ihre Anwesenheit beim Forum zum Anlass nimmt, fünf Prozent ihres Reingewinns vom letzten Album der Hilfsorganisation SOS zu stiften, werden Sie zugeben, dass ihre Anwesenheit hier absolut gerechtfertigt ist. Genug geredet! Genießen Sie die musikalische Sintflut von Kill Them All und die Sintflut der Cocktails in Ihren durstigen Kehlen.«
    In Wirklichkeit hat Kill Them All mitnichten vorgehabt, Geld zu stiften, doch der Deal war eine Grundvoraussetzung für den Auftritt beim Forum und die damit verbundene, ansehnliche Gage. Ihr Manager

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