Ödland - Thriller
Hilfe. Laurie kämpft gegen unwürdige Not und ich gegen schmarotzerhaften Reichtum. Beides ist ein aussichtsloser Kampf. Bis bald.«
Scherereien
Terror ist oft eine Vorbedingung, öfter jedoch ein Ersatz für Krieg. Man könnte ihn auch als Druckmittel gegen bestimmte Staaten bezeichnen. Ziel ist nicht, diese Staaten zu besiegen oder zu erobern, sondern sie dazu zu bringen, ein bestimmtes Verhalten an den Tag zu legen. Terror ist vor allem die Waffe der Armen und der Schwachen.
Pascal Boniface, Les Guerres de demain (2001)
General Kawongolo fühlt sich am Schreibtisch und im Sessel der Präsidentin nicht besonders wohl. Er hat die Situation nicht wirklich unter Kontrolle - ganz und gar nicht. Nur ein kleiner Teil der Armee ist ihm in sein Abenteuer gefolgt. Genau genommen war es nur das 1. Infanterieregiment; der gesamte Rest, einschließlich der Offiziere, hat sich vorsichtshalber in den Kasernen verschanzt. Auf seinen Befehl hin, den Anweisungen unter Androhung von Kriegsgericht und anderer militärischer Repressalien Folge zu leisten, erhielt er die Antwort, dass man ausschließlich der Präsidentin zu Gehorsam verpflichtet sei und nichts ohne ihren Befehl unternähme. Aber kann er tatsächlich seine eigene Armee angreifen, wie Nummer 1 es ihm nahegelegt hat? Kawongolo ist sich nicht einmal sicher, ob das 1. Infanterieregiment überhaupt bereit wäre, auf die eigenen Kameraden zu schießen. Was die Zivilbevölkerung angeht, so befinden sich die meisten staatlichen und privat geführten Unternehmen inzwischen im Streik oder haben sich »Zusatzurlaub« genehmigt, und das Volk, das längst nicht so apathisch ist, wie Nummer 1 annahm, fängt an, widerspenstig zu werden. Immer wieder rotten sich Menschen zusammen, die »Nieder mit Kawongolo«, »Hoch lebe Fatimata« und »Vaterland oder Tod - der Sieg gehört uns!« rufen, und Panzer und Lastwagen, die durch die Straßen patrouillieren, werden mit Steinen beworfen. Auch hier plädiert Nummer 1 für Repressalien und eine Demonstration der Stärke, doch das 1. Infanterieregiment ist nicht bereit, sich mit Zivilisten anzulegen - ihre militärische Ausbildung in der von Fatimata Konaté geprägten humanistischen Staatsform hat dergleichen nicht vorgesehen. Die wenigen Versuche, einen Volksaufstand zu zerstreuen oder eine besetzte Fabrik einzunehmen, erwiesen sich als eher lasche Interventionen, gefolgt von hastigen, wenig ruhmreichen Rückzügen. Auf die Zusammenarbeit mit der Polizei kann Kawongolo überhaupt nicht zählen, nachdem der Innenminister gemeinsam mit der kompletten Regierung seinen Rücktritt eingereicht hat. Und so befindet sich Kawongolo ganz allein an der Spitze des Landes - besser gesagt, eines kleinen Teils des Landes, der sich auf Kongoussi und die Hauptstadt beschränkt. Seine drei Ratgeber, Nummer 1, Nummer 2 und Nummer 3, sind Amerikaner und haben nicht die geringste Ahnung von den wahren Verhältnissen und den Sitten und Gebräuchen Burkina Fasos.
Hinsichtlich der Organisation eines Putsches macht den Agenten der NSA natürlich so schnell niemand etwas vor. Der gestern Morgen in aller Herrgottsfrühe erfolgte Sturm auf die vorher von Nummer 1 festgelegten Ziele setzte auf den Überraschungseffekt und war ein voller Erfolg. Seit vierundzwanzig Stunden befinden sich der Präsidentenpalast, die wichtigsten Ministerien, die Militärakademie, der Flughafen, die Post, die gesamte Telekommunikation und das Bohrgelände von Kongoussi - mit anderen Worten, die strategisch wichtigsten Organe der Nation - in der Hand der Putschisten. Nummer 2 hat sämtliche Telefonverbindungen, sowohl die drahtlichen als auch die über Funk, gekappt oder gestört, desgleichen die nicht kooperierenden Radiosender. Lediglich Satellitentelefone funktionieren noch, doch davon gibt es in Burkina Faso nicht sehr viele. Nummer 3 hat sich um die digitalen Netzverbindungen gekümmert, um Router und Internetserver, Glasfaserkabel, bidirektionale Netze und Ähnliches. Zu zweit haben sie es mit ihren Laptops und dem Quantum Physics von Fatimata geschafft, das Land blind und stumm werden zu lassen. Allerdings weiß Victor Kawongolo, dass der Blackout nicht lange dauern wird. Die Agenten der NSA verhalten sich wie typische Amerikaner, die ihre engere Umgebung selten verlassen und für die jede Kommunikation zwangsläufig über irgendein Netz stattfindet. In Burkina Faso jedoch findet ein großer Teil des Austauschs noch mit Mund und Ohren statt. Das berühmte »Buschtelefon«
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