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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Direktor erhebt sich mühsam.
    »Kommen Sie, es geht hier entlang. Wärter, begleiten Sie uns bitte.«
    »Sie brauchen mir Ihren Gorilla nicht aufs Auge zu drücken. Ich fliehe ganz bestimmt nicht.«
    »Wir sind keine Wilden, Mr. Fuller - was man von euch Amerikanern nicht immer behaupten kann.«
    Eine halbe Stunde später steigt Anthony frisch gewaschen, rasiert und umgezogen in den Daewoo-Pritschenwagen, der im Hof wartet. Rudy und zwei bewaffnete Soldaten begleiten ihn. Der Sergeant nimmt im Führerhaus Platz. Rudy hat ein in Zeitungspapier gewickeltes Paket unter dem Arm, dessen Form Fuller sofort mit schrecklichen Erlebnissen verbindet. Unwillkürlich beginnt er zu zittern.
    »Keine Sorge«, lächelt Rudy. »Ich werde Ihnen die Maske nicht noch einmal zumuten - es sei denn, ich werde dazu gezwungen. Ich will sie nur ihrer Besitzerin zurückbringen.«
    Der Kleinlaster fährt an, verlässt den Gefängnishof und reiht sich in den spärlichen Verkehr von Ouaga ein. Innerhalb von zehn Minuten ist Fuller wieder ebenso staubig und verschwitzt wie in seiner Zelle.
    Fullers Unlust und Griesgrämigkeit, die er auf den ersten Kilometern an den Tag gelegt hat, weichen allmählich einer bewussteren Wahrnehmung der trostlosen Landstriche, die der Pritschenwagen durchquert. Fuller sieht Autowracks und ausgetrocknete, von Geiern abgenagte menschliche Knochen am Straßenrand. Er sieht aussterbende Dörfer, Menschen, die wie lebende Skelette dahinwanken, Kinder mit aufgetriebenen Bäuchen und erlebt Streit an den Tanklastern, die Wasser bringen. Er sieht tote Bäume, unfruchtbare, mit rotem Laterit bedeckte Felder und das wenige, übrig gebliebene Vieh, das sich kaum auf den Beinen halten kann und sich mit den letzten harten Büschen als Futter begnügen muss. Er sieht geschlossene Geschäfte, verlassene Häuser, deren Läden im Harmattan klappern, Alte, die an Mauern lehnen und nur noch den Tod erwarten. Er sieht den weißglühenden Himmel, an dem die Sonne wie eine Bombe in Zeitlupe droht ... Er sagt nichts, doch auf seinem finsteren Gesicht zeichnet sich zunächst Überraschung, dann Bestürzung und schließlich Entsetzen ab. Rudy beobachtet Fuller ganz genau und beschließt, dass Anthony noch nicht genug gesehen hat. Aber eine Rundfahrt durch Kongoussi wird ihm vielleicht den Rest geben.
    In Kongoussi angekommen, gibt Rudy dem Sergeanten Anweisung, durch die Stadt zu fahren und sich dabei auf die Altstadt, das Marktviertel und die umliegenden Hügel zu konzentrieren, wo früher die blühenden Gemüseplantagen lagen. Die Not, die langsame Agonie, der Tod, der im Schlepptau der Geier über das Land zieht, die trockene Verwesung, deren übler Gestank aus verbrannten Höfen aufsteigt, der armselige, kümmerliche Markt, die dürren Zombies, die durch die Straßen irren, die liegen gelassenen Leichen - das alles ruft bei Fuller geradezu körperliche Reaktionen hervor. Er kriecht auf seinem Sitz zusammen und verbirgt sein Gesicht in den Händen. Rudy richtet ihn wieder auf, dreht sein Gesicht zum Fenster und befiehlt ihm hinzuschauen. Zerfallende Hütten. Staubige, vom Wind blank gefegte Felder. Von Norden her in die Täler eindringende Sanddünen. Baobabs, die ihre gedrungenen, nackten Äste in den weißen Himmel strecken. Tote Tiere. Skelette. Autowracks. Aber auch - sieh nur hin, Fuller, sieh genau hin! - die Baustelle der nach Ouaga führenden Pipeline, wo sich halb nackte Arbeiter in der sengenden Hitze tummeln. Das Lachen satt getrunkener Kinder, die dem vorüberfahrenden Kleinlaster zuwinken. Stolze Frauen, die Kanister auf dem Kopf tragen. Männer, die eingestürzte Speicher reparieren. Bauern, die Furchen in den Laterit ziehen, Samen hineinlegen und sie mit einem dünnen Rinnsal abgemessenen Wassers gießen. Menschen, die foggaras graben, Rohre ineinander stecken und versandete Absperrschieber reinigen. Der nackte, strahlende, kleine Junge, der sich einen Rest Wasser über den Kopf geschüttet hat und in dessen Kraushaar die Tropfen wie Diamanten funkeln. Und das Lächeln, die wiedergefundene Freude derer, die ein wenig Wasser zur Verfügung haben - genug zum Trinken, Waschen und zur Wiedererweckung des Gartens.
    Die Tour endet auf dem Bohrgelände, in der summenden Betriebsamkeit der Baustelle, bei den seufzenden Pumpen, den brummenden Kompressoren, den Zisternen, die unter der Aufsicht der Soldaten gefüllt werden, und den geduldig und diszipliniert wartenden Frauen, die mit ihren Kalebassen, Eimern und Kanistern für das

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