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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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hochrechnen und den von Professor da Silva von Global Climate Change entdeckten ›Venuseffekt‹ einbeziehen, dürfte die Menschheit das Ende dieses Jahrhunderts nicht mehr erleben. Wollen Sie Mitglied bei Euthanasie für alle werden? Allerdings weise ich Sie vorsorglich darauf hin, dass die Warteliste sehr lang ist.«
    Entsetzen
    Mein Ziel - oder vielleicht sollte ich eher sagen: mein Auftrag - ist nicht nur der Kampf gegen die Erderwärmung und die damit einhergehenden Katastrophen, sondern auch, den betroffenen Völkern Hilfe zu leisten. Resourcing ist dank seiner unterschiedlichen Tochtergesellschaften in 72 Ländern präsent und trägt auf diese Weise Tag für Tag dazu bei, Menschen in Not ein wenig Rückhalt zu bieten.
Interview mit Anthony Fuller
In: OneEarth, 2. Januar 2030
    Fuller läuft wie ein Tiger im Käfig in seiner Zelle auf und ab. Er kann nicht schlafen, hat Durchfall und Fieber, und seine Nerven liegen blank. Der Ekel verursacht ihm Brechreiz, und krankhafter Schweiß durchnässt seine verdreckte Kleidung. Er ist dabei, auf sechs Quadratmetern bei lebendigem Leib zu verfaulen. In der Zelle herrscht trotz des staubigen Halbschattens eine Höllenhitze, es stinkt wie die Pest nach Latrine und menschlichem Unrat, und Fliegen und Kakerlaken sind allgegenwärtig. Das Wasser, bei dem jeder Tropfen abgezählt zu sein scheint, schmeckt nach Kanalisation, das Essen riecht nach Exkrementen, und sogar die Atemluft ist verseucht mit den übelsten Ausdünstungen. Niemals wäre er auf die Idee gekommen, dass heutzutage noch irgendwo derart schreckliche Haftbedingungen existieren könnten. Und dabei erhält er angeblich eine Vorzugsbehandlung!
    Fuller weiß nicht, wie lange er noch in diesem unwürdigen Loch schmoren muss und welches Los man für ihn bereithält. Er hat darauf bestanden, informiert zu werden, einen Anwalt zu bekommen und telefonieren zu dürfen, denn das sind die elementaren Rechte eines jeden amerikanischen Staatsbürgers. Doch man zuckte nur die Schultern, als ob seine rechtmäßigen Ansprüche keinerlei Sinn machen würden. Auf welchem Planeten ist er hier gelandet? Wird er eines Tages aus diesem Albtraum aufwachen?
    Dieser Albtraum. Vielleicht ist ja das alles hier tatsächlich ein Albtraum. Vielleicht ist Anthony verrückt geworden, sitzt in Wirklichkeit in einer Gummizelle in irgendeiner Anstalt und wähnt sich nur in einem Gefängnis in Burkina Faso. Aber nein. Der Gestank, diese Mauern aus rohen Hohlblocksteinen, die Schaumgummimatratze, die vor Wanzen nur so wimmelt, die juckenden, entzündeten Stiche - das alles ist nur allzu wirklich. Der Albtraum, der war davor ... ehe er auf dem sandigen Rollfeld eines Flughafens vor der Tür seines eigenen Fliegers mit einem Messer an der Kehle in die Wirklichkeit emportauchte.
    Es war eine lange Nacht mit grässlichem Entsetzen und Fratzen schneidenden Dämonen gewesen. Das hasserfüllte Hyänengesicht bedrängte ihn ohne Unterlass, nahm zeitweise die Züge seines verstorbenen Sohns Wilbur an, ab und zu auch die von Tony Junior, und manchmal vermischten sich die beiden. Dieses schauderhafte Gesicht, das ihm seinen Tod entgegenschrie, diese leeren, hypnotischen Augen, die seinen auf Abwege geratenen Geist durchbohrten und ihn mit stinkenden Würmern füllten ... Anthony erinnert sich an einen Totentanz, einen Kreis wirbelnder Leichen, dem er sich nicht entziehen konnte, und an seine Peinigerin, die Hyäne mit den wechselnden Gesichtern, die ihn mit ihren Fangzähnen in den Abgrund des Entsetzens und des Wahnsinns zu zerren versuchte. Noch jetzt, drei Tage später, verursacht ihm der Albtraum kalte Schweißausbrüche und Schauder namenloser Angst; er setzt sich bis in die Halluzinationen fort, die seine schlaflosen Nächte heimsuchen.
    Es sind immer die gleichen Bilder: Wilbur erscheint des Nachts als Gespenst in seiner Zelle. Manchmal ist er als Tuareg verkleidet - ein wallender Schatten mit glühendem Blick. Immer hat er einen scharfen Dolch bei sich, den er seinem Vater tief ins Herz stößt. Oder Tony Juniors Hyänenlachen dringt an sein Ohr, und sein greisenhaftes Gnomengesicht zeichnet sich hinter den Gitterstäben des winzigen Fensters ab. Manchmal hört Fuller auch Schritte, die auf dem harten Zementboden widerhallen und sich seiner Matratze nähern; flammende Augen heften sich auf ihn, und eine zischende, tonlose Stimme, die gleichzeitig ganz nah und weit entfernt klingt, als hätte der Wind der Vorhölle sie zu ihm getragen, raunt ihm zu:

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