Ödland - Thriller
nicht unterhalten.« Er wirft einen Seitenblick auf Mr. Smith und Mr.Jones, die sich unbeweglich und schweigend im Hintergrund halten. »Allerdings gehe ich davon aus, dass Sie das Thema nicht angeschnitten hätten, wenn es keine Alternative gäbe.«
»Sehr richtig.« Fini räuspert sich und berührt flüchtig den Bildschirm. »Um ganz ehrlich zu sein, hat es einige ... sagen wir, private Interessenten gegeben, die Sie gern lebenslang hinter Gittern gesehen hätten. Doch wir von NetSurvey verfolgen anderweitige Ziele.«
»Die da wären?«
»Wir wissen den Wert Ihrer Arbeit zu schätzen. Und wir brauchen ständig begabte und dynamische junge Leute wie Sie, um den Angriffen Ihrer Kollegen immer um eine Nasenlänge voraus zu sein.«
»Wie bitte?« Yann ist wie benommen. »Sie wollen mich einstellen?«
»Richtig. Wir bieten Ihnen eine interessante und vielseitige Position an, hervorragend bezahlt und mit vielen Vorteilen und Privilegien. Natürlich hätten Sie kaum noch ein Privatleben, aber ich versichere Ihnen, dass es unseren Agenten ausgezeichnet ergeht, solange sie auf dem rechten Weg bleiben.«
»Warten Sie - fordern Sie mich etwa gerade auf, mich an den Feind zu verkaufen? Alles infrage zu stellen, woran ich glaube?«
»Wir bitten Sie lediglich, Ihre Kunst auszuüben. Natürlich mit einer geringfügig veränderten Zielgruppe. Doch das Aussehen der Flasche ist nicht wichtig, solange man zu trinken bekommt, habe ich recht?«
»Aber ich ... Das ist doch Verrat! Und wenn ich ablehne?«
»Dann bringen wir Sie vor Gericht, Sie werden verurteilt und schmoren für den Rest Ihres Lebens im Gefängnis, wo Sie Plastikspielzeug herstellen dürfen. Sie müssen doch zugeben, dass das ziemlich schade wäre, oder?«
»In Wahrheit habe ich gar keine Wahl.«
»Aber natürlich haben Sie die. Einige überzeugte Terroristen entscheiden sich für das Gefängnis. Doch bei Ihnen ist es keine Überzeugung, sondern Leidenschaft, daher dürfte Ihnen die Entscheidung leichter fallen. Ich lasse Ihnen jetzt ein wenig Zeit zum Nachdenken.« Fini druckt ein Blatt aus und reicht es Yann. »Hier finden Sie alle Einzelheiten zu der vorgeschlagenen Stelle - Bedingungen, Besonderheiten, Gehalt und Vorteile. Lesen Sie es sich genau durch. Ich schlage vor, dass wir uns morgen wiedersehen. Einverstanden?«
Yann wirft einen Blick auf das Blatt. Als er das Gehalt sieht, zuckt er zusammen. Die monatliche Summe entspricht etwa dem, was er als Webmaster bei SOS in einem Jahr verdiente. Doch auch der Name des Arbeitgebers jagt ihm einen Schrecken ein. Es handelt sich nämlich nicht um NetSurvey, sondern um die NSA, den amerikanischen Geheimdienst. Mechanisch schüttelt er Silvio Fini die Hand, antwortet ebenso mechanisch auf sein heiteres »Bis morgen« und lässt sich wie in Trance in seine luxuriöse Zelle zurückbegleiten. In seinem Kopf ist nichts als ein riesiges Fragezeichen.
Spielwiese
Erbe, Raum, Geist.
Glauben, kämpfen, siegen.
Ein Volk, ein Reich, ein Führer.
Aufschriften auf den Wänden der »Sektion 25«
Rudy hat die Nase gestrichen voll. Zehn Tage ist er nun schon in der Sektion 25 und findet es einfach nur zum Kotzen. Er ist nicht nur erschöpft, durchgenudelt und hat Muskelkater, sondern er fühlt sich innerlich von Wut und Hass wie zerfressen. Aber er hat nun einmal unterschrieben und muss noch zehn Tage durchhalten. Das Kommando Survival toleriert keine Deserteure.
Seine Einheit hat den Auftrag bekommen, eine alte Raffinerie am Ufer der Emscher, irgendwo mitten im Ruhrgebiet zwischen Bottrop und Gelsenkirchen, zu verteidigen. Das Terrain ist kaum zu kontrollieren, weil alle Gebäude mehr oder weniger aus Rohren, Pipelines, Türmen, Bottichen, Reservoirs, Becken, Treppen und Brücken bestehen, die samt und sonders eiskalt sind und immer noch nach Öl stinken. Die »Feinde« könnten in das Gelände eindringen, wo es ihnen beliebt. Doch im Augenblick kann Rudy von seinem Beobachtungsposten, einer großen Plattform auf halber Höhe einer Destillationsanlage, niemanden ausmachen.
Sein Blick irrt von dem düsteren Schauplatz der Kampfübung über die gigantische Ruine hinweg, die aus dem Ruhrgebiet geworden ist. Früher konzentrierten sich hier die wichtigsten petrochemischen Großkonzerne, doch die unvermeidliche Erdölverknappung brachte diesen Industriezweig ebenso zum Erliegen, wie es zuvor schon dem Kohleabbau ergangen war. Nur die erfolgreichsten Tochtergesellschaften der ww konnten ihre Produktion auf Wasserstoff und
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