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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Biokraftstoffe umstellen. Einige bauten ihre alten Fabriken um, die meisten jedoch zogen einfach an anderer Stelle neue Produktionsstätten hoch. Die Unternehmen jedoch, die das Ende der Erdölära nicht abgesehen hatten und die Kurve nicht mehr kriegten, gingen sang- und klanglos unter. In der Folge wurde aus dem nördlichen Ruhrgebiet mit den Städten Duisburg, Oberhausen, Gelsenkirchen und Castrop-Rauxel eine der größten Industriebrachen der Welt und aus der Emscher, an deren Ufer die Fabrikleichen in sich zusammenfallen, der schmutzigste Fluss Europas. Die Landschaft, die von den Farbtönen Rost, Stahl und Beton dominiert wird, wirkt wie eine lebensgroße Allegorie auf den langsamen Todeskampf der Industriegesellschaft - schwarze, bröckelnde Schornsteine; vor sich hin rostende Behälter; durchlöcherte, korrodierte Rohre; altersschwache, mit Graffiti besprühte Gebäude, deren Fensterscheiben zerborsten sind; aufgeplatzte Böden; verdächtig schimmernde Pfützen zweifelhafter Herkunft; eingeknickte Kräne; Fahrzeugwracks; mit Trümmern und Müll übersäte Straßen. Und mitten durch diese verzweifelte Tristesse hindurch rinnt die braune und tote Emscher Seite an Seite mit dem ebenso braunen und toten Rhein-Herne-Kanal. Aus dem bleiernen Himmel, der sich über die Szene wölbt, fällt eine Art schmutziger Schnee, der auf den Kleidern fettige Spuren hinterlässt.
    Die Grauzone der Industriebrache ist zum Tummelplatz für die sogenannten »Wilden« geworden, einer Spezies, neben denen sich die Ökoflüchtlinge der Drehscheibe wie Bonbondiebe ausnehmen. Kein vernunftbegabtes Wesen würde je einen Fuß in dieses Gelände setzen, doch die Sektion 25 des Kommandos Survival betrachtet es als seine Lieblingsspielwiese. Niemals hätte Rudy sich einschreiben dürfen!
    Das Kommando Survival besteht nämlich aus echten, unbelehrbaren Neonazis.
    Bisher ging Rudy davon aus, dass es sich bei dieser Ideologie um einen alten, mottenzerfressenen Mythos handelt - das Abfallprodukt einer Legende -, der lediglich von einem harten Kern nostalgischer Großdeutschland-Fanatiker hochgehalten wird, die den bombastischen Opernpomp des Dritten Reiches nicht vergessen können. Inzwischen ist ihm klar geworden, dass die Neonazis eine mächtige, weitverbreitete, in einzelne Sektionen aufgeteilte Organisation aufgebaut haben, die dank ihres Engagements für die Wiedereingliederung als gemeinnützig anerkannt und damit völlig legal ist und die mit ihren Überlebenstrainings - bei denen es sich in Wirklichkeit um Guerillacamps mit propagandistischem Hintergrund handelt - eine breite Masse erreicht.
    Obwohl Rudy bei seiner Anmeldung ausgesprochen zurückhaltend war - dass die Organisation sich als »Kommando« bezeichnete, kam ihm zunächst ein wenig suspekt vor -, fasste er relativ schnell Vertrauen. Der Lehrgang war für Ökoflüchtlinge kostenlos, die Empfangsdame lächelte freundlich und behandelte ihn sehr zuvorkommend, die in einer ehemaligen Fabrik für Autoteile in Bochum gelegenen Büroräume waren sorgfältig renoviert, an den Fenstern standen Grünpflanzen, und es gab sogar einen kleinen Park. Die Broschüre, die Rudy während der Wartezeit durchblätterte, pries den Lehrgang an als »Abenteuer für echte Männer, bei dem es auf gegenseitige Hilfe und wahre Kameradschaft ankommt und das auf eine Verbesserung des persönlichen Unternehmungsgeistes, der Widerstandsfähigkeit, des Selbstwertgefühls und des Willens, den eigenen Erfolg zu verteidigen, abzielt.« Sämtliche aufgezählten Qualitäten waren unerlässlich für einen Ökoflüchtling, der sein Schicksal wieder selbst in die Hand nehmen wollte.
    Er zuckte ein wenig zusammen, als das Mädchen ihm ein Formblatt vorlegte, in dem er unterschreiben sollte, dass er sich der Risiken bewusst sei, die bei der Teilnahme am Lehrgang entstehen könnten, und dass er die volle Verantwortung dafür übernehme.
    »Welche Risiken?«
    Das Lächeln der Empfangsdame erlosch.
    »Sie haben sich für ein Überlebenstraining eingeschrieben, klar? Sie werden lernen, wie man sich in schwierigen Situationen verhält - zu diesem Zweck aber müssen wir Sie zunächst in eine schwierige Situation bringen, die selbstverständlich gewisse Risiken birgt.«
    Während sie das sagte, zuckte sie mit den Schultern, als ob es sich um eine völlig selbstverständliche Sache handele, über die man nicht groß reden müsse. Rudy hakte dann auch nicht weiter nach.
    Er gab seine Illusionen erst auf, nachdem er seiner

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