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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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manchmal Hadés Stelle ein, wenn diese in Trance ist, sich um einen schwierigen Fall kümmert oder in ihrem Haus hohen Besuch empfängt - so wie heute.
    Der hohe Besuch ist niemand anders als Hadés Tochter Fatimata. Auch ihr Enkel Abou ist da, Fatimatas Sohn, den seine Mutter unterwegs aus dem Lager in Kongoussi abgeholt hat, nachdem sie seinem Hauptmann einen Sonderurlaubsschein abtrotzen konnte. Abou hat sie schon lange darum gebeten, ihn zu seiner Großmutter mitzunehmen, die er unbedingt besuchen wollte, doch seit er hier ist, hat er außer den üblichen Begrüßungsfloskeln kein Wort von sich gegeben. Er hockt wie angewurzelt auf seinen Fersen und betrachtet die Ausstattung des halb abgedunkelten Zimmers mit aufmerksamen Augen. Es sind Masken der verschiedenen Stämme Burkinas, ein Zeremonienkostüm aus gefärbten Pflanzenfasern, Bündel getrockneter Pflanzen, ein in feuchten Sand eingegrabener Tonbehälter mit Deckel, Flaschenkalebassen, Schmuckstücke aus Federn und Tierhäuten, die an den Deckenbalken hängen, und vor allem ein weiterer Fetisch, der abstrakter und geheimnisvoller aussieht als der Nashornvogel im Hinterhof. Es ist ein einfaches Tongefäß, das mit konzentrisch angebrachten Ketten aus Kaurimuscheln verziert ist. An seinem Scheitelpunkt befindet sich ein geschwärztes Loch, aus dem ein feiner Rauchfaden in die Luft aufsteigt, der das Zimmer mit einem angenehmen Kräuterduft erfüllt. In regelmäßigen Abständen kehrt Abous Blick zu seiner Großmutter zurück; dabei weitet er sich, als entdecke er etwas Erstaunliches. Hadé unterhält sich derweil mit Fatimata und schenkt ihrem Enkel nicht die geringste Aufmerksamkeit.
    Tatsächlich ist es vor allem Fatimata, die spricht. Hadé sitzt in einem niedrigen Sessel aus Nere-Holz, wie ihn der Stamm der Senufo herstellt. Ihre üppigen Formen quellen weit über die Sitzgelegenheit hinaus. Sie hört aufmerksam zu, nickt manchmal oder stimmt mit kurzen Lauten zu.
    »Das ist der Stand der Dinge«, schließt Fatimata, die Schwierigkeiten hat, auf der Bodenmatte eine bequeme Sitzstellung zu finden. »Dieser Fuller hat uns vor dem Internationalen Handelsgericht wegen betrügerischer Hehlerei‹ und ›Behinderung des freien Handels‹ verklagt. Wir haben ihm auf diplomatischem Weg eine Einladung zukommen lassen, sich mit eigenen Augen ein Bild von der Situation zu machen, doch er hat uns keiner Antwort gewürdigt. Ich weiß nicht, wie es jetzt weitergehen soll, Mutter. Wenn wir anfangen, das Wasservorkommen zu erschließen, den Prozess aber verlieren, wäre alle Arbeit umsonst, und wir würden obendrein auch noch dafür verurteilt. Wenn wir aber abwarten, bis das Urteil gesprochen ist, werden unsere Leute auf die Barrikaden gehen, weil sie das Wasser zum Überleben brauchen. Die Truppen, die das Gelände absichern, haben schon jetzt größte Schwierigkeiten, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Nicht wahr, Abou?«
    Abou nickt kurz. Die bläulichen Rauchwolken, die aus dem Loch des Tonfetischs dringen, scheinen ihn geradezu zu hypnotisieren.
    Eine tiefe Stille tritt ein. Hadé hat die Augen geschlossen und die Arme über der üppigen Brust gekreuzt. Sie wirkt, als döse sie. Fatimata wartet geduldig. Sie weiß, dass es nichts bringt, ihre Mutter zu drängen oder Ungeduld an den Tag zu legen. Aus einem verbeulten Weißblechgefäß, das mindestens noch aus der Kolonialzeit stammt, trinkt sie einen Schluck Wasser aus dem Tonbehälter. Das Wasser schmeckt gut, frisch und kaum erdig, als stamme es aus einer Quelle. Wo mag Hadé es herbekommen? Oder ist es etwa Wasser von der staatlichen Wasserversorgung, das sie in irgendeiner Weise aufbereitet hat?
    »Von selbst wird Fuller nicht kommen«, erklärt die weise Frau schließlich mit ihrer tiefen, ein wenig heiseren Stimme.
    »Das habe ich befürchtet.«
    »Du hoffst, dass ich etwas unternehme, um ihn herzulocken.«
    Fatimata hebt ihre feinen Augenbrauen. Dabei müsste sie längst daran gewöhnt sein, dass ihre Mutter mit Leichtigkeit ihre innersten Wünsche und Geheimnisse durchschaut. Sie sind schließlich vom gleichen Fleisch und Blut.
    »Stimmt. Oder ihn zumindest dazu bringen, seine Haltung uns gegenüber zu verändern.«
    »Das werde ich nicht tun, Tochter.«
    »Kannst du es nicht?«
    »Doch, ich könnte es. Aber ich will nicht.«
    »Warum nicht?«
    Hadé schweigt. Sie scheint sich auf Stimmen zu konzentrieren, die nur sie allein hören kann.
    »Das Bangré hat nichts mit Zauberei zu tun«, sagt sie schließlich.

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