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Öffne deine Seele (German Edition)

Öffne deine Seele (German Edition)

Titel: Öffne deine Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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nicht einmal sagen, ob die Stimme einem Mann oder einer Frau gehörte.
    «Ich kenne Marius’ Güte.»
    Diesmal zuckte Merz zusammen.
    «Ich weiß, wie sehr er leidet, wenn die Anrufer ihn unfreundlich behandeln und seine Güte ausnutzen. Ich drohe Marius nicht. Ich beschütze ihn. Ich bin Justus. Ich bin die Gerechtigkeit.»
    «Gerechtigkeit?», fragte Merz. «Ah ja. Und was tut die Gerechtigkeit?»
    Justus kam nicht zum Antworten.
    In diesem Moment wurde die Studiotür aufgerissen.
    ***
    «Sie tötet», sagte Jörg Albrecht.
    Eine Harpyie von Redaktionsassistentin hatte Lehmann und ihn an der Eingangstür in Empfang genommen und sie mit Zeter und Mordio überschüttet.
    Albrecht hatte das Gemecker nicht zur Kenntnis genommen, sondern stur auf den winzigen Monitor des Smartphones geblickt und den Dialog im Studio verfolgt. Wenigstens den Weg hatte die Frau ihm gewiesen, im letzten Moment allerdings auf dem Korridor das Licht ausgeschaltet, bevor er den Studioraum betreten konnte.
    Doch selbst das hatte ihn nicht aufhalten können.
    Hinter dem Schreibtisch saß eine Gestalt wie ein atmender Leichnam: Das war offenbar Marius, der Moderator.
    Hannah Friedrichs’ Ehemann hing in einer Ecke und sah nicht wesentlich lebendiger aus. Eingezwängt von einer Batterie elektronischer Geräte, kauerte ein ratloser Techniker.
    Im Zentrum des Raumes stand Merz.
    Der Anwalt hatte sich vor der Kamera aufgebaut und starrte den Hauptkommissar aus zusammengekniffenen Augen an.
    Albrecht schob sich an ihm vorbei.
    «Sie tötet», sagte er in die Kamera. «Das ist alles, wozu Ihre Gerechtigkeit in der Lage ist. Richtig, Justus? Das Urteil steht von Anfang an fest. Ein Freispruch wird nicht in Betracht gezogen, mildernde Umstände stehen nicht zur Debatte. Wenn Sie sich Ihr Opfer ausgesucht haben, gibt es keinen Prozess mehr, sondern nur noch das Urteil, und das Urteil lautet Tod. Sie sind kein Richter, Justus. Sie sind ein Henker.»
    «Sie haben recht.»
    Albrecht war noch längst nicht fertig, aber die gleichförmige Stimme, nun in voller Lautstärke aus den Boxen, brachte ihn zum Verstummen.
    Die Stimme. Aber mehr noch das, was sie sagte.
    «Sie haben vollkommen recht. Das Urteil steht von Anfang an fest, weil nicht ich es bin, der das Urteil fällt. Marius hat diesen Leuten eine zweite Chance geboten, und sie haben entschieden, sie nicht zu nutzen. Vielleicht sollte ich mich also besser als Werkzeug der Gerechtigkeit bezeichnen. Das Urteil haben sie alle selbst über sich gesprochen.»
    «Sie … alle?»
    Albrecht drehte sich um.
    Die schattenhafte Gestalt hinter dem Schreibtisch richtete sich auf.
    Friedrichs hatte von der Krankheit des Moderators erzählt, und aus dem Sermon der Assistentin hatte er entnehmen können, dass ein Arzt unterwegs war. Marius war krank, unübersehbar – so unübersehbar das möglich war bei einem Menschen, den der Hauptkommissar nur als undeutlichen Umriss wahrnahm.
    Doch offenbar kehrten seine Kräfte zurück.
    «Sie alle», beantwortete Jörg Albrecht seine Frage. «Falk Sieverstedt, ein junger Fotograf von dreiundzwanzig Jahren. Jasmin Vedder, sechzehn, Schülerin. Wer noch, Justus ? Sagen Sie es mir?»
    «Sind Sie nicht gerade dabei, es herauszufinden?»
    Die Worte troffen vor Hohn, und doch wurde nichts davon aus dem Tonfall deutlich: aseptisch, ohne jede menschliche Färbung.
    Wie stellte ein Wesen dieser Welt das an?
    «Er spricht überhaupt nicht.»
    Alle blickten auf. Selbst Friedrichs’ Ehemann. Selbst der Techniker.
    Hauptmeister Winterfeldt stand in der Tür.
    Der Taxifahrer musste sämtliche Geschwindigkeitsrekorde gebrochen haben. Albrecht sah einen großen Packen Strafbescheide auf das PK Königstraße zukommen.
    Fasziniert trat der Computermann in den Raum, in dem es mittlerweile ziemlich eng wurde. Der junge Lehmann wich einen Schritt zurück, musste sich jetzt halb hinter den Techniker quetschen
    «Das ist ein Vocoder», murmelte Winterfeldt. «Besser als jeder Sprachverzerrer. Bei einem Verzerrer muss man immer damit rechnen, dass die andere Seite es schafft, die Manipulationen rückgängig zu machen, sodass am Ende wieder die ungefilterte Stimme herauskommt. Bei einem Vocoder ist das unmöglich, weil es gar keine Stimme gibt.»
    «Aber wir hören sie doch, die Stimme», bemerkte Lehmann.
    «Natürlich hören wir sie. Aber sie wird künstlich erzeugt», erklärte Winterfeldt. «Man gibt den Text über eine Tastatur ein, und das Programm moduliert sie zu Worten. Die Technik an sich

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