Öffne deine Seele (German Edition)
hätte.
Ihr Privatleben: Merz. Hätte Merz so bereitwillig Auskunft gegeben, wenn er selbst in die Sache verwickelt war? Unwahrscheinlich. Die Mannschaft auf dem Revier war jedenfalls in diesem Moment dabei, sein Alibi für den Vorabend zu prüfen.
«Herr Albrecht?» Er sah eine schemenhafte Bewegung im Innern des Ruheraums.
Der Hauptkommissar trat durch die Tür.
«Zum Glück war es wohl lediglich ein vorübergehender Anfall», murmelte Warnecke und betrachtete die Skala seines Blutdruckgeräts. «Sein Kreislauf ist jetzt stabil.»
Es musste sich um eine Sonderanfertigung handeln. Das einzige Blutdruckgerät der Welt, das mit einer Neonskala ausgestattet war, die auch die letzten Reste von Helligkeit reflektierte.
«Er könnte also ein Gespräch führen?», fragte Albrecht.
Der Mediziner sah auf.
«Marius ist geschwächt», sagte er leise. «Sie können sich nicht ausmalen, was für ein Schock das plötzliche grelle Licht für ihn gewesen sein muss. Auf keinen Fall darf er sich jetzt noch mehr aufregen.»
«Ich danke Ihnen, Doktor.» Mit einer nachdrücklichen Geste löste der Moderator die Hand des Arztes von seinem Puls. «Aber es geht mir gut. Es muss mir gut genug gehen, wenn eine Freundin meine Hilfe braucht.»
Es ging ihm gut. Albrecht hatte nicht den geringsten Zweifel.
Auf der Stelle erkannte er den salbungsvollen Tonfall wieder, in dem derselbe Mann vor der Kamera verkündet hatte, dass er es sich nicht erlauben dürfe, um den verblichenen Falk Sieverstedt zu trauern.
Ein Märtyrer im Einsatz.
Nur das Publikum war diesmal kleiner.
«Sie haben also vor, auf das Angebot Ihres Freundes Justus einzugehen?», erkundigte sich Albrecht mit neutraler Stimme.
Der Moderator drehte sich langsam um.
«Hauptkommissar … Albrecht, nehme ich an.»
Albrecht neigte stumm den Kopf.
«Das Schicksal Ihrer Mitarbeiterin scheint Ihnen sehr am Herzen zu liegen, wenn Sie unter diesen Umständen hier sind», bemerkte Marius. «Nach den Presseberichten des heutigen Tages hätte ich eher erwartet …»
«Ich ermittle seit achtundvierzig Stunden wegen des Todes von Falk Sieverstedt. Der Täter hat sich gerade live in Ihrer Sendung vorgestellt.»
«Natürlich.» Diesmal war es Marius, der den Kopf neigte.
Albrecht verzog den Mundwinkel. Zwei Duellanten, dachte er, die versuchten, die Kräfte des anderen einzuschätzen.
Der Doktor sah von einem zum anderen wie ein überforderter Ringrichter, hob dann aber hilflos die Schultern.
«Falls irgendetwas ist …», wandte er sich an Marius. «Falls Sie mich noch brauchen: Ich kann hierbleiben.»
Albrecht drehte sich zu ihm um. «Nicht in diesem Teil des Gebäudes bitte.»
Einen Moment lang schien Warnecke widersprechen zu wollen, packte dann aber schicksalsergeben seine Instrumente zusammen und verschwand mit einem gemurmelten Gruß.
Albrecht wartete, bis sich die Schritte entfernt hatten.
«Justus ist also einer Ihrer Freunde ?», fragte er.
Marius hatte sich vollständig zu ihm umgewandt und legte die Hände übereinander in den Schoß.
«Sie haben gehört, wie er sich vorgestellt hat, Hauptkommissar. Ich bemühe mich, meine Freunde mit Namen anzusprechen, die mir für den Betreffenden geeignet erscheinen. Ein Justus war bisher nicht darunter.»
«Weil Sie diese Rolle für gewöhnlich selbst ausfüllen, nehme ich an. Und das Urteil sprechen.»
Mit einer beherrschten Geste schüttelte Marius den Kopf.
«Ich urteile nicht, Hauptkommissar. Ich bemühe mich zu helfen. Doch leider muss ich in einigen Fällen erkennen, dass meine Hilfe …» Er unterbrach sich. Einen Moment lang kam etwas durch, das Albrecht für echt hielt. «Das … das Mädchen, das auf dem Reiterhof Urlaub machen wollte, ist …»
Albrechts Schweigen war Antwort genug.
«Und Sie glauben, dass er … dass Justus …?»
Wieder sagte Albrecht kein Wort. Details seiner Ermittlung gingen den Mann nichts an.
Und schließlich verstand er auch so.
«Mein Gott», murmelte Marius. «Dieses Mädchen war nichts als ein dummes Kind. Ist Ihnen klar, wie viele Sechzehnjährige ich jede Woche in der Leitung habe? Was diese Kinder ihren Familien antun? Sie wollen nicht sterben. Sie wollen nur, dass ihnen jemand zuhört.»
«Und das haben Sie getan?»
Die Gestalt des Moderators straffte sich. «Das habe ich, Hauptkommissar. Für meine Anrufer gibt es einige simple Regeln. Wir lügen nicht. Wir vermeiden Kraftausdrücke. Wir halten unsere gemeinsam getroffenen Vereinbarungen ein. Und wir nehmen
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