Öffne deine Seele (German Edition)
einfach nur verloren hat. Und doch erinnerst du dich, was ich dir über unseren Freund Felix gesagt habe: Er musste sich entscheiden, wie wir alle uns entscheiden müssen, irgendwann in unserem Leben. Jetzt, in diesem Moment, stehst du an dieser Stelle.»
Die Hände wurden wieder ineinandergelegt.
«Oder sitzt oder liegst in diesem Fall.»
Hannah ließ sich flach zurückfallen.
«Das … das ist nicht dein Ernst.»
Marius antwortete nicht.
Merz biss die Zähne zusammen.
Der Moderator pokerte. Er war sich nicht sicher, ob das der jungen Frau klar war, aber der Anwalt erfasste den Gedankengang vollkommen:
Justus hatte nicht all diesen Aufwand getrieben, um Hannah am Ende gehen zu lassen.
Er wollte sie sterben sehen, wie all seine anderen Opfer gestorben waren.
Ein Opfer: Das war das Entscheidende.
Wenn Hannah von sich aus ein Opfer brachte, dessen gewaltige Dimensionen Marius absolut zutreffend geschildert hatte, nur dann würde sich Justus unter Umständen beeindrucken lassen. Nur dann würde er akzeptieren, dass sie tatsächlich ihre Seele geöffnet hatte.
Nur dann hatte sie möglicherweise die Spur einer Chance.
Merz – oder Dennis.
Eine Entscheidung.
«Ich …» Hannahs Stimme war weniger als ein Flüstern. «Ich kann nicht.»
«Du …»
Marius unterbrach für einen Moment, als sich Folkmar ausgerechnet diesen Moment aussuchte, sich an der Kamera vorbei aus dem Raum zu schieben.
Der Moderator zögerte und schien für einen Moment zur Tür zu schauen, schüttelte sich dann aber kurz.
«Du hast keine Wahl», betonte er und griff gleichzeitig nach seinem Notizblock. «Deine einzige Wahl besteht darin, dass du die Wahl zwischen diesen beiden Männern hast.»
Er machte eine kurze Notiz, schaute dann wieder beschwörend in die Kamera.
«Alle beide lieben dich», betonte er. «Alle beide kennen dich. Welches ist Hannahs Lieblingswein, Dennis?»
Dennis hob die Augenbrauen. «Lambrusco. Aus den Abruzzen.»
«Welches ist ihr Lieblingsparfüm, Dr. Merz?»
Verwirrt sah der Anwalt ihn an.
Hannahs Duft war dezent – fast immer. Ausgenommen in den Nächten, in denen er sie für sich allein gehabt hatte.
« Sun », sagte er irritiert. «Von Jil Sander.»
Marius nickte.
«Du siehst», sagte er und schob mit einer beiläufigen Bewegung sein Notizbuch beiseite. «Sie kennen dich so gut, wie du dich selbst kennst.»
Das Notizbuch …
Merz kniff die Augen zusammen.
Marius schob es ihm so deutlich entgegen: Er konnte nicht anders.
Er riss die Augen auf, als er las: Folkmar riecht geradezu penetrant nach Sun von Jil Sander.
Eine Sekunde lang war er unfähig, sich zu rühren.
Dann war er mit einem Satz an der Tür.
elf
Z ahlenkolonnen rasten über den Bildschirm. Die dünne grüne Linie oszillierte in einem hektischen Takt.
«Nun machen Sie schon endlich den Mund auf!», knurrte Albrecht. «Was ist los mit der Verbindung?»
Er warf einen Blick auf den Monitor der Live-Übertragung. Marius war mitten in einer bizarren dreifachen Seelenöffnung mit Friedrichs, ihrem Ehemann und dem Anwalt.
Winterfeldt schüttelte den Kopf und hörte gar nicht wieder damit auf.
«Ich dachte, ich kenne diesen Proxy-Mechanismus», murmelte er. «Aber er muss vollkommen anders funktionieren, als ich geglaubt habe.»
«Sie sind am Ende der Kette, und Sie haben Justus trotzdem nicht?»
«Nein.» Immer neues Kopfschütteln. «Ja, doch. Ich bin am Ende, aber … Sehen Sie sich das doch an: hier.»
Ein angeknabberter Fingernagel tippte auf einen Punkt weit oben auf dem Bildschirm.
«Das ist unsere IP. Also diejenige des Studios.»
Eine zehnstellige Zahl. Albrecht nickte. «Und?»
«Hier unten sehen Sie die unterschiedlichen Stationen, über die das Signal gelaufen ist: Rechner auf Zypern, auf den Fidschi-Inseln, zwei Mal in den USA, zwischendurch zurück nach Deutschland, dann wieder nach Übersee, aber am Ende …» Wieder der Fingernagel. «Hier.»
Albrecht kniff die Augen zusammen. «Die Nummer ist identisch», murmelte er. «Wie Sie gesagt haben: Er sendet von unserer Adresse.»
Der Hauptkommissar hatte nicht damit gerechnet, dass diese Schüttelei noch heftiger werden konnte.
Aber sie konnte.
«Ich habe gesagt: Es sieht aus , als ob er von unserer Adresse sendet», korrigierte Winterfeldt. «Daraufhin bin ich auf den Proxy-Mechanismus gestoßen und ihm bis ans Ende gefolgt. Und wohin komme ich: zu unserer Adresse.»
«Und das ist nicht normal?»
Ein Stoßseufzer. «Herr, schmeiß Hirn vom
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