Öffne deine Seele (German Edition)
Himmel!»
«Hauptmeister!», sagte Albrecht scharf. «Ganz ruhig!»
«Sorry», murmelte Winterfeldt und riss sich zusammen, sichtbar um Geduld bemüht. «Nein, das ist nicht normal. Ich hätte bei dem Rechner ankommen müssen, auf dem er in Wahrheit unterwegs ist. Aber das kann nicht …»
Ganz langsam drehte Jörg Albrecht den Kopf zum Hauptmonitor.
Der Ton war leise gestellt. Marius hatte sein Experiment offenbar beendet und zählte Friedrichs ihre Alternativen auf – die beiden Alternativen, die rechts und links des Moderators saßen.
Der Techniker Folkmar war nichts als ein Schatten ganz am Bildrand.
«Justus muss den Mechanismus irgendwie gedoppelt haben», hörte Albrecht Winterfeldts Stimme. «Von seinem Rechner über die Proxys hierher, und dann noch einmal im Kreis. Obwohl ich keine Ahnung habe, wie das funktionieren kann.»
«Ich schon», flüsterte Albrecht. «Justus spricht nicht, richtig?»
«Wie? Ja, richtig. Die Vocoder-Software. Wer das entwickelt hat, muss ein technisches Genie sein.»
Der Computermann war Albrechts Blick gefolgt.
«Er spricht nicht», sagte der Hauptkommissar leise. «Jedenfalls muss er dazu nicht den Mund aufmachen. Er muss lediglich tippen. Dieser Mann dort tippt in einer Tour. Er tippt sogar, während wir im Raum sind – und niemand denkt sich etwas dabei. Und gleichzeitig hören wir Justus’ Stimme. Als wir uns aber alle in den Raum gedrängt haben, hat ihm Lehmann fast auf dem Schoß gesessen», murmelte er. «Und siehe da: Justus verstummte. Lehmann konnte ihm auf die Finger sehen.» Er zögerte. «Allerdings hat er auch vor einigen Minuten mit Marius gesprochen, als er gar nicht im Raum war.»
«Das …» Winterfeldt starrte auf den Monitor. «Nein, das hat nichts zu bedeuten. Im System schwirren ein halbes Dutzend mobile Endgeräte rum. Er kann ganz einfach mit dem iPad, aber … Folkmar ?»
«Ein technisches Genie?»
Nervös begann der Computermann an einer Haarsträhne zu knabbern.
«Er hält den Laden hier seit Jahren allein am Laufen. Hat er mir selbst erzählt. Aber dieser Justus klingt kein Stück nach Folkmar. Nicht die Stimme jetzt, sondern wie er spricht. Die Ausdrucksweise und …»
«Was muss das für eine Erfahrung sein» , murmelte Albrecht. «Wenn man schon ein ganzes Leben hinter sich hat, draußen … wie Doktor Warnecke … oder Folkmar. Und dann findet er zu uns und zu diesen Dingen hier?»
«Hä?»
«Etwas, das mir ein junger Mann erzählt hat.» Albrecht schüttelte den Kopf. «Schopenhauer», knurrte er. «Der Irrationalismus.»
«Hä?»
«Die Leute hier im Haus kommen uns vielleicht vor wie normale Menschen. Aber das sind sie nicht. Jeder von ihnen hat eine Gehirnwäsche bei Marius hinter sich, gegen die sich eine Lobotomie wie ein Besuch beim Friseur ausnimmt.» Er schüttelte den Kopf. «Rufen Sie Lehmann! Er soll auf der Stelle zurückkommen, mit sämtlichen verfügbaren Männern. Wir müssen …»
Er kniff die Augen zusammen.
Auf dem Monitor quetschte sich ein Schatten an der Kamera vorbei.
Marius, Merz und Dennis Friedrichs waren nach wie vor an Ort und Stelle.
«Verdammt!»
Albrecht sprang auf und war mit drei Schritten auf dem Flur. In der Dämmerung des Korridors konnte er einen Umriss in der Tür des Studios erkennen.
Aber nein, nicht Folkmar. Zu groß für Folkmar. Folkmar war schon verschwunden. Es war Merz.
«Stehen bleiben!»
Albrecht stolperte den dunklen Gang entlang und griff nach seiner Dienstwaffe.
Zum zweiten Mal an diesem Tag.
«Stehen bleiben, sage ich!»
In der Studiotür erschien ein neuer Umriss.
Der Zusammenprall trieb ihm die Luft aus den Lungen.
Friedrichs’ Ehemann war mehr als zehn Jahre jünger als er und wesentlich besser in Form. Albrecht klammerte sich an den Türrahmen, während Dennis Friedrichs an ihm vorbeihechtete, Merz hinterher.
Und Merz war hinter Folkmar her.
«Verdammt!»
«Ah, Hauptkommissar Albrecht!»
Albrecht kniff die Augen zusammen.
Marius machte hinter seinem Lämpchen eine auffordernde Geste.
Der Moderator war nicht mehr als eine Silhouette, doch irgendetwas an ihm war – bezwingend ? War das das richtige Wort?
Jörg Albrecht war nicht der Mann, der sich zu irgendetwas verleiten ließ, doch zumindest sah er genauer hin.
«Erinnern wir uns noch einmal, was unsere Freundin Hannah ausmacht», sagte Marius im Plauderton in Richtung Kamera.
Doch seine Haltung passte nicht zu diesem Ton.
«Das Häuschen in Seevetal und ein kreuzbraver, fleißiger
Weitere Kostenlose Bücher