Öffne deine Seele (German Edition)
die geplatzt sind im verzweifelten Kampf gegen das schwarze Wasser des Bassins, das mitleidlos seine Lungen gefüllt hat.
Sein geöffneter Mund ist eine Höhle, ein Abgrund. Instinktiv will ich zurückweichen, doch in meinem Traum bin ich dazu nicht in der Lage.
Er hat um Luft gerungen. Er hat geschrien, um sein Leben geschrien.
Doch in meinem Traum glaube ich auch etwas anderes zu wissen: Falk Sieverstedt hatte noch etwas zu sagen.
Ein Geheimnis.
Ein Geheimnis, das er mit in den Tod genommen hat und das wichtig ist, für mich, für uns alle.
Wenn ich nur ganz genau hinhöre, kann ich vielleicht doch noch ein Echo dieser Worte erhaschen, das Echo eines Echos.
Alles in mir wehrt sich dagegen, doch ich beuge mich über den Toten, bringe mein Ohr ganz nah an seine Lippen. Näher. Und näher. Und näher.
Ein markerschütterndes Kreischen.
Mit einem Japsen sog ich die Luft ein, als ich spürte, wie etwas den Weg in meine Kehle fand: die Salmiakpastille.
Das Gefühl war unbeschreiblich.
Durch einen Tränenschleier sah ich, wie Albrecht das Whiteboard zurechtrückte, bevor er im Zentrum der freien Fläche etwas notierte.
Falk Sieverstedt
In diesem Moment konnte ich die einzelnen Buchstaben des Namens nicht entziffern, doch ich hörte das unterdrückte Keuchen der Kollegen. Klaus Matthiesen und Max Faber direkt neben ihm. Von Alois Seydlbacher, unserer Verstärkung aus Bayern, ein unterdrücktes «Jessas, sakra!». Selbst Marco Winterfeldt hatte aufgehört zu tippen – ungefähr zwei Sekunden lang. Dann setzte das unterdrückte Klackern wieder ein, in doppelter Frequenz.
« Der Falk Sieverstedt?», flüsterte Max Faber.
Meine Kehle brannte bis runter in den Magen, aber inzwischen konnte ich wieder gut genug sehen, um zu erkennen, dass er blass geworden war, blass bis zu seiner spiegelblanken Glatze.
Ich biss die Zähne zusammen. Faber hatte vorhin noch einen Spruch gemacht, ob wir zu Ehren der Rückkehr unseres Chefs nicht einen kleinen Umtrunk geben sollten, wie wir das bei Hansen gemacht hatten, als er aus dem Krankenhaus zurückkam.
Jetzt war keine Rede mehr davon.
Jörg Albrecht gab keine Antwort. Sein Blick war deutlich genug.
«Hannah.» Er nickte mir zu, und ich reichte Kopien meines Berichts herum.
Der Hauptkommissar sah auf die Uhr. Ein, zwei Minuten gab er den Kollegen Zeit, meine Notizen zu überfliegen, bevor er selbst mit ruhiger Stimme zusammenfasste.
«Kommissarin Friedrichs und Hauptmeister Lehmann sind heute Nacht um null Uhr vier von einer unserer Streifen informiert worden, dass sich in einem Bassin im Dahliengarten die Leiche eines Mannes befindet», erklärte er. «Ich selbst bin nach wenigen Minuten hinzugestoßen. Zur endgültigen Identifizierung treffe ich mich in neunzig Minuten mit den Eltern in der Gerichtsmedizin, doch auch so können wir im Grunde keinen Zweifel haben.» Ein Nicken in meine Richtung.
«Auf der dritten Seite», sagte ich. «Euler hat uns schon mal vorab was gefaxt.»
Allgemeines Vorblättern. Köpfe senkten sich über den Bericht.
Der um ein Mehrfaches vergrößerte Manschettenknopf kam auf den Kopien nicht besonders gut raus. Doch die Aufnahme war deutlich genug, um das verschnörkelte und mit einer Krone versehene S zu erkennen, dessen Gegenstück sich in einer schmiedeeisernen Version auch am Tor des Anwesens in Blankenese fand und eigentlich überall, wo die Sieverstedts ihre Finger im Spiel hatten.
«Also ist er es tatsächlich», murmelte Matthiesen.
«Oder jemand hat seinem Doppelgänger sein Hemd übergezogen», gab Nils Lehmann zu bedenken.
Der Blick, den ihm Albrecht zuwarf, brachte ihn umgehend zum Schweigen.
«Ein junger Mann aus einer der einflussreichsten Familien der Stadt.» Der Hauptkommissar musterte uns, einen nach dem anderen. «Und kein Unbekannter in Hamburg, ganz gleich, ob man die wirtschaftlichen Verflechtungen im Außenhandel mit Interesse verfolgt.»
Die letzte Bemerkung galt wohl mir.
Selbst wenn man keinen Schimmer hatte, wer rund um die Alster hinter den Kulissen die Strippen zog: Falk Sieverstedt kannte man.
«Aufgefunden unter Bedingungen, die uns einen Presseauftrieb garantieren, den wir uns besser noch nicht vorstellen mögen», setzte Albrecht hinzu. «Doch für uns darf das keine Rolle spielen. Ein junger Mann ist tot. Ein junger Mann von dreiundzwanzig Jahren. Warum ist er gestorben? Das herauszufinden, die Wahrheit herauszufinden, das ist unsere Aufgabe.»
Er musterte uns.
Wer wollte widersprechen?
«Was
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