Öffne deine Seele (German Edition)
einzugehen. Eine …»
«Sie wollen sagen …» Marius.
«Wenn Sie mir mit Verhältnissen und Bettgeschichten kommen, breche ich Ihnen den Kiefer.»
«Sie wollen sagen, dass Sie seit fünfzehn Jahren eine außereheliche Beziehung mit der Mutter des Opfers unterhalten haben?»
«Das habe ich.» Ein tiefes Ausatmen. «Allerdings nur für einige Monate, in denen wir uns aber in einem Maße nahegekommen sind … Scheidungen wurden ein Thema, ein gemeinsames Leben. Doch dann …»
«Ja?»
«Meine … Meine Frau eröffnete mir, dass sie schwanger sei. Gleichzeitig hatte der Konsul keine neuen Drohungen erhalten. Vermutlich hatten die Täter unsere verstärkten Überwachungsmaßnahmen bemerkt und waren eingeschüchtert worden. Die Operation konnte abgebrochen werden.»
«Verstehe. Und damit auch die Operation Elisabeth Sieverstedt.»
Albrecht antwortet nicht.
Ich ahne, dass er um seine Fassung ringt.
«Ich musste mich entscheiden», sagt er leise. «Wo meine Verantwortung lag. Wem ich Loyalität schuldete. Und die Antwort stand nicht in Frage. Das ungeborene Kind – meine Tochter Clara. Welche Verfehlungen auch immer ihre Eltern sich hatten zuschulden kommen lassen: Dieses Kind traf keine Schuld. Ich beendete die Beziehung zu Elisabeth und kehrte zu meiner Frau zurück.»
«Und lebten glücklich bis an ihr Ende», murmelt Marius.
Es hört sich an, als ob er nur mit sich selbst redet, doch ich kenne den Moderator inzwischen gut genug, um zu wissen, wie er solche Bemerkungen einsetzen kann.
Und tatsächlich:
«Wenn da nicht einige Unerfreulichkeiten wären», bemerkt er. «Richtig? Genau wie Ihre Ehe ist damals auch die Ehe der Sieverstedts nicht auseinandergegangen. Ich frage mich, ob die Schläge aufgehört haben. Hinzu kommt nun der Umstand, dass wir das gewaltsame Ableben unseres Freundes Felix zu beklagen haben. Ich frage mich, was für ein Gefühl es für Sie gewesen sein muss, ihr auf einmal wieder gegenüberzustehen, dieser Frau, die Sie damals Knall auf Fall verlassen haben – und sei es aus noch so ehrenwerten Motiven. Ich frage mich …»
«Ihnen …» Scharf fällt Albrecht ihm ins Wort. «Ihnen schulde ich keine Erklärung. Meine Erklärung schulde ich Hannah Friedrichs.»
Schwer holt er Luft. «Hannah, können Sie mich verstehen, und sei es nur ein ganz klein wenig? Ich musste unter allen Umständen an dieser Ermittlung dranbleiben. Friedrich Sieverstedt hatte Macht, weit über seinen wirtschaftlichen Einfluss hinaus. Wenn der Konsul in den Tod seines Sohnes verwickelt war, musste jemand die Ermittlungen leiten, der sich von ihm nicht einschüchtern lassen würde. Und es war gut, dass ich das getan habe. Trotz allem. Wir haben sieben kleine Mädchen aus einer Hölle retten können, in der sie …»
Er spricht nicht weiter.
Ich selbst suche nach Worten.
Bei mir will er sich entschuldigen?
Mit einem Mal habe ich das Gefühl, dass ich, wenn überhaupt, ganz, ganz hinten auf seiner Liste kommen müsste.
Elisabeth Sieverstedt, die er in einer ganz eigenen Hölle zurückgelassen hat und deren Leiden er nun in die Öffentlichkeit zerrt.
Seine Kinder, seine Exfrau.
Sie alle sitzen jetzt womöglich vor dem Fernseher und bekommen seine Seelenbeichte mit.
Und wissen, dass ein paar Millionen anderer Menschen sie ebenfalls mitbekommen.
Und das alles meinetwegen .
Um mein kleines, kümmerliches Leben zu retten.
Und bei mir will sich Jörg Albrecht entschuldigen?
Jörg Albrecht, der wieder und wieder darum gerungen hat, das Richtige zu tun, und auf alle und jeden Rücksicht genommen hat – nur auf sich selbst nicht.
Und der es jedes Mal nur noch schlimmer gemacht hat.
Wenn er nur den Mund aufgemacht hätte! Wenn er nur geredet hätte!
Der Gedanke zuckt durch meinen Kopf, als hätte Justus ohne Vorwarnung den Elektroschocker ausgelöst.
Könnte es sein, dass ich diesem Mann sehr viel ähnlicher bin, als ich wahrhaben möchte?
***
Merz stolperte zurück und stieß gegen Dennis, der einen überraschten Laut von sich gab.
Für den Bruchteil einer Sekunde wurde Merz geblendet, dann gab es ein leises Geräusch und …
Dunkelheit.
«Verdammt!», zischte Dennis.
Dunkelheit. Schwärze. Von allen Seiten.
Wo war oben, wo war unten? Schwindel im Kopf des Anwalts, eine plötzliche Übelkeit.
Die Wände, der Stollen: Er konnte sie nicht mehr sehen und glaubte doch zu spüren, zu wissen, wie sie enger wurden und enger und …
«Verflucht, Merz! Machen Sie sich nicht in die Hose! Das
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