Öffne deine Seele (German Edition)
YouTube-Video. Also hat uns der Sender sämtliche Aufzeichnungen seitdem zugeschickt. Vier Ausgaben die Woche, fast ein Vierteljahr lang. Das hier war Falks zweiter Anruf, dreieinhalb Wochen später. Ich lasse schon dauernd vorlaufen, aber das Bild verändert sich ja praktisch nicht: Da sitzt immer nur Marius und fuchtelt mit den Händen rum. Einmal hat er sich die Nase geputzt. Bis ich da vollständig durch bin …»
Albrecht massierte sich die Nasenwurzel. «In Ordnung. Wenn wir die Handydaten bereits hätten, könnten wir das abkürzen, aber der Mobilfunkanbieter mauert. Gut. Aber für den Rest der Aufnahmen können wir uniformierte Kollegen einsetzen. Wichtiger ist Falk Sieverstedts Rechner. Die entscheidende Spur sind und bleiben die Fotos. Ich möchte, dass Sie sich jetzt wieder auf diese Spur konzentrieren.»
«Aloha.» Resigniert schüttelte der Computermann seine Mähne. «Ich hab ja schon gestern versucht, Ihnen das zu erklären: Da laufen an sich nur automatische Routinen auf dem Rechner, und die werden irgendwann was finden oder eben nicht. Viel mehr kann ich auch nicht tun, es sei denn, ich mach mich per Hand auf die Suche. Aber wenn Sie denken …»
«Ich denke. Und jetzt stellen Sie das da bitte ab!»
Winterfeldt gehorchte, und Albrecht zog sein Whiteboard zurück an Ort und Stelle.
Wer? und Warum?.
«Unsere Ermittlung läuft nun seit mehr als vierundzwanzig Stunden», begann er. «Und mit jeder einzelnen Stunde wird die Fährte kälter. Wenn wir es wagen wollen, von einer eindeutigen Fährte zu sprechen. Unser Opfer ist vor seinem Tode lobotomiert worden. Zwei Tage vor der Tat hat ein korpulenter Herr mit Baseballkappe das Bassin im Dahliengarten besichtigt. Unser Täter? Keine Spur bisher von dem weißen Kastenwagen, der möglicherweise eine Rolle gespielt hat. – Winterfeldt, die Aufnahme des zweiten Gesprächs geben Sie bitte ans Labor. Ich will wissen, was das für ein Geräusch ist zum Schluss. Vielleicht lässt sich auch der Fahrzeugtyp bestimmen.»
Er zögerte.
«Ebenso bleibt nach wie vor auch das Fahrzeug des Toten verschwunden, und mit ihm Falk Sieverstedts Fotoausrüstung.»
«Was Falk gerade eben erzählt hat, passt jedenfalls zur Fotoausrüstung», meldete sich Faber. «Wie sich das anhört, war er hinter irgendjemandem her und konnte nicht weitertelefonieren, weil er ihn verfolgt hat. Wissen wir, was auf seinen Fotos zu sehen ist? Er könnte Aufnahmen gemacht haben, die für den Täter gefährlich werden könnten.»
«Daraufhin hätte er den Jungen mitsamt der Ausrüstung in seine Gewalt gebracht», murmelte Albrecht. «Und den chirurgischen Eingriff vorgenommen. Was vermutlich bedeuten würde, dass er ursprünglich nicht vorhatte, ihn zu töten.»
«Genau. Aber dann wacht Falk wieder auf, und sein Gedächtnis ist noch da. Also bringt der Täter ihn um: eine Verdeckungstat.»
Albrecht nickte nachdenklich. «Damit wäre dann der Mann mit der Kappe aus dem Spiel. Die Begehung des zukünftigen Tatorts wäre nur dann sinnvoll gewesen, wenn die Tat von Anfang an geplant war.»
Er zögerte, schrieb dann mit dem Edding oben rechts in die Ecke der Tafel:
Täter.
Direkt darunter:
Neurochirurgisches Wissen.
«Das ist ein Punkt, der eindeutig feststeht», erklärte er. «Wobei nach Martin Eulers Worten eine Lobotomie ohne weiteres durch einen qualifizierten Laien vorgenommen werden kann, der sich ausreichend für die Materie begeistert. Für neurologische oder im weiteren Sinne psychologische Fragen. Genau das aber scheint bei unserem Täter der Fall zu sein.»
Verfolgt Second Chance.
Wir beugten uns kollektiv auf unseren Stühlen nach vorn. Nur Nils Lehmann war etwas vorsichtig mit seinem frisch geschienten Arm, auf dem wir vor Beginn der Sitzung vollzählig hatten unterschreiben müssen.
«Wie kommen Sie da jetzt drauf?», fragte er.
«Das war mein eigener Impuls.» Albrecht sah uns der Reihe nach an. «Der Impuls, aus dem heraus ich Martin Euler vom Grill geholt habe. Erinnern Sie sich an Marius’ Spruch aus der ersten Aufzeichnung, die wir gestern gesehen haben? Kurz bevor das Gespräch abbrach? Falk Sieverstedt wollte nicht so recht mit den Worten heraus.»
Auf einmal war es da.
«Öffne deine Seele!», flüsterte ich.
Albrecht nickte. «Das Vorderhirn ist der Sitz unseres Bewusstseins, unserer Persönlichkeit, dessen, was uns ausmacht – unserer Seele. Unser Täter hat genau das getan, was Marius von Falk Sieverstedt verlangt hat: Er hat die Seele des Opfers
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