Öffne deine Seele (German Edition)
geöffnet.»
«Mi leckst …»
Der Blick unseres Chefs brachte Seydlbacher zum Schweigen.
Der Hauptkommissar hob seinen Stift wie einen Zeigestock. «Wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob der Täter denselben Gedanken hatte wie ich, aber die Vermutung ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Und das führt uns zum möglicherweise entscheidenden Gedanken: Welche Rolle spielt Marius?»
«Unmöglich», murmelte ich. «Der Mann bekommt Krampfanfälle, wenn Sie auch nur ein Teelicht vor ihm anzünden.»
«Das schließt ihn persönlich als Täter aus», bestätigte Albrecht. «Aber haben Sie heute Morgen einmal die Zeitung aufgeschlagen? Den Fernseher angestellt?»
Ich schüttelte den Kopf.
Der Fernseher stand im Wohnzimmer – und im Wohnzimmer hatte Dennis geschlafen, falls er denn nach unserem Streit überhaupt ein Auge zugetan hatte.
«Kommt gleich an zweiter Stelle in den Nachrichten», murmelte Lehmann. «An der ersten natürlich die Sache im Volkspark, aber die Kundgebungen am Ehestorfer Heuweg gleich danach.»
Ich starrte ihn an. «Kundgebungen?»
« Sympathisanten », erklärte Albrecht. Er fasste das Wort an wie mit der chirurgischen Pinzette. «Idealistische Unterstützer, die ihrer Empörung Ausdruck geben, wie die Ermittlungsbehörden mit ihrem unbescholtenen Fernsehidol verfahren. Nein!» Er sah mir fest in die Augen. «Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Hannah. Ihr Vorgehen in der Sendung …» Eine winzige Pause, die mir ganz und gar nicht gefiel. «Ihr Vorgehen in der Sendung war vollkommen gerechtfertigt. Sie mussten das Gespräch an dieser Stelle abbrechen. Doch wenn wir schon auf einen solchen Vorgang hin einen derartigen Auftrieb an Gesinnungsgenossen erleben …» Er schüttelte den Kopf. «Wissen wir, wozu diese Leute im Ernstfall in der Lage sind? Und die eindrucksvollsten Exemplare finden sich ohnehin in dem Bunker selbst, wenn ich Sie richtig verstanden habe?»
Mit einem Mal hatte ich einen ausgesprochen ekligen Geschmack im Mund.
Die Schüler , die vor Marius’ Konterfei ihre Brieflein ablegten wie vor dem Weihnachtsmann. Merkatz, Folkmar mit seiner ausgesuchten Höflichkeit – die ganze Atmosphäre auf dem Anwesen.
«Schon», sagte ich leise. «Doch welchen Sinn würde das ergeben? Nur weil Falk vielleicht nicht ganz nach seiner Pfeife tanzen wollte? Dann müsste unser Täter reihenweise Leute umlegen. Was denken Sie, was die Anrufer Marius alles an den Kopf werfen …»
«Vorausgesetzt, er kommt nicht als Erster zu Wort», unterbrach mich Albrecht. «Verstehe. Doch umso wichtiger ist es, dass wir diese Leute im Auge behalten.» Er zögerte. «Lehmann?»
«Äh, ich wollte eigentlich gar nichts sagen, diesmal.»
«Ich schon. Was macht Ihr Arm?»
Unglücklich hob Nils Lehmann ihn an und schwenkte ihn ein paar Mal hin und her. «Nicht viel. Leider. Ich hatte schon überlegt, ob ich nicht doch noch mal in medizinische …»
«Ich hab was viel Besseres für Sie: frische Luft. Sie werden sich ein Bild machen, was da oben in den Schwarzen Bergen vorgeht. Ob der Täter nun dabei ist oder nicht: Es berührt den Fall. Jelinek? Sie gehen ans Steuer.» Er zögerte. «Faber?»
«Hauptkommissar?»
«Sie stellen mir bitte bis heute Nachmittag ein Dossier über Marius zusammen. Hintergrund, Ausbildung, ehemalige Arbeitsstellen. Konflikte mit dem Gesetz. Wenn möglich sogar seinen Nachnamen.»
«Ich setz mich ran.»
«Die Übrigen widmen sich bitte unseren potenziellen neuen Zeugen. Eine Auflistung sämtlicher gestern im Park aufgenommener Personalien finden Sie auf Ihren Rechnern. Seydlbacher, wenn Sie einen Ihrer Gesprächspartner von gestern Abend wiedererkennen, setzen Sie Ihren geballten Charme ein.»
Unser Bayernimport sah auf. Sein düsteres Gemurmel war dermaßen leise, dass nicht mal ich ein Wort verstehen konnte.
«Hannah?»
Überrascht hob ich den Kopf.
«Sie kommen bitte mit.»
***
Albrecht ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder und warf einen kurzen Blick auf ein Post-it, das Irmtraud Wegner während der Sitzung dort hinterlassen haben musste.
Ein Anruf von Isolde Lorentz.
Eine Pressekonferenz, dachte er. Heute würde er nicht darum herumkommen. Bürgerkriegsähnliche Zustände im Volkspark und ein Massenauflauf am Ehestorfer Heuweg. Das war mindestens ein Aufreger zu viel.
«Bitte», sagte er, als Hannah Friedrichs die Tür hinter sich geschlossen hatte, und wies auf den Besucherstuhl.
Nein, der Kommissarin war nicht wohl angesichts der
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