Öffne die Augen: Thriller (German Edition)
durch einen DNA -Abgleich leicht zu identifizieren war, die Hände abgehackt, die Zähne herausgebrochen und die Tätowierungen entfernt? Der Legion konnte nicht unbekannt sein, dass Mohamed Abane vorbestraft war. Auch wenn sie die Vergangenheit ihrer Rekruten auslöschten, nahmen sie diese doch vorher genau unter die Lupe. Sie wussten deshalb ohne jeden Zweifel, dass der Araber im Zentralregister für genetische Fingerabdrücke registriert war, und kannten seine Straftaten.
Es sei denn…
Sharko richtete seine schwarzen Augen auf das Foto der beiden Brüder.
» Eine Frage, die Ihnen befremdlich erscheinen mag… aber ist vielleicht um diese Zeit Ihr Personalausweis verschwunden?«
Akim senkte den Kopf.
» Tatsächlich. Ich muss ihn an meinem Arbeitsplatz oder auf der Straße verloren haben. Wie haben Sie das erraten?«
Sharko antwortete nicht. Lucie war genauso perplex wie der Gewichtheber. Doch der Hauptkommissar hatte die Antworten, die seine Vermutungen bestärkten. Er reichte ihm zum Abschied die Hand, Lucie tat es ihm nach.
» Die Kollegen aus Rouen werden in Kürze hier eintreffen, Ihnen viele Fragen stellen und sich Notizen machen. Seien Sie unbesorgt, das ist völlig normal.«
Im Hinausgehen drehte er sich noch einmal zu Akim um, der sich auf seinem Sofa nicht bewegt hatte.
» Übrigens… Ihr Bruder hatte auf Höhe des Halses einen winzigen Plastikchip unter der Haut. Wissen Sie etwas von einem chirurgischen Eingriff?«
» Nein, nein.«
» Auch kein Krankenhausaufenthalt?«
» Ich glaube nicht. Das heißt, ich weiß es nicht.«
» Danke. Ich verspreche Ihnen, dass Sie Ihre Antworten bekommen. Die Verantwortlichen werden bezahlen. Dafür setze ich mich persönlich ein.«
Damit schloss er leise die Tür hinter sich.
Kapitel 39
Lucie und Sharko hatten sich am Küchentisch der Wohnung in L’Haÿ-les-Roses niedergelassen. Unterwegs hatten sie sich beim Bäcker etwas mitgenommen. Lucie biss in ihr Croissant, Sharko hatte sich für ein Schokohörnchen entschieden, das er in seinen Kaffee tunkte. Erstmals seit mehreren Tagen sah man durch die Fenster wieder blendend weiße Wölkchen über den Himmel ziehen. Zwischen zwei Bissen sagte der Kommissar:
» Es passt alles zusammen. Leichen, die sich nicht identifizieren lassen, vermutlich Ausländer, die nur mit dem Nötigsten nach Frankreich eingereist sind. Bei der Fremdenlegion ist das gang und gäbe.«
» Die professionelle Art, für die Anonymität und das Versteck der Leichen zu sorgen. Luc Szpilmans Beschreibung, die Rangers… Militärangehörige…«
» Nicht zu vergessen die Haaranalyse bei drei von ihnen, die nachgewiesen hat, dass sie in den letzten Wochen vor ihrem Tod kein Rauschgift mehr genommen haben. Das passt perfekt zu Typen, die mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen haben, Typen, die mit eiserner Hand geführt werden. Junge Fremdenlegionäre in der Ausbildung. Neuzugänge.«
Sharko verschlang den letzten Bissen seines Schokohörnchens. Er schien gut in Form, fast glücklich.
» Was war das für eine Geschichte mit dem verschwundenen Personalausweis?«, fragte Lucie.
» Einfach nur folgerichtig. Mohamed Abane war eine schwer gestörte Persönlichkeit. Mit seinem Vorstrafenregister hätte er es niemals in die Fremdenlegion geschafft. Die Werber in Aubagne klammern bei ihren Nachforschungen praktisch alle Delikte aus, abgesehen von Schwerverbrechen wie Mord, Vergewaltigung, Perversitäten… Abane hat eine falsche Identität angegeben, um aufgenommen zu werden.«
» Indem er den Pass seines Bruders gestohlen hat?«
» Genau. Für eine Bewerbung bei der Fremdenlegion braucht man nichts anderes außer einem gültigen Ausweis. Er bleibt die einzige Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Zukunft. Die beiden Männer haben große Ähnlichkeit miteinander, die Werber haben nichts gemerkt. Sie waren in dem Glauben, es mit einem unbeschriebenen Blatt zu tun zu haben.«
Sharko strahlte. Lucie erlebte ihn plötzlich selbstsicher, vor Leben strotzend. Ein Mann, der Geschmack fand an den Ermittlungen vor Ort. Gedankenverloren trank er seinen Kaffee.
» Es ist fast alles logisch…«
» Fast?«
» Ja, fast. Ich denke an die fünf ermordeten Rekruten. Es gibt nichts Schlimmeres als die Auswahlprüfungen und vor allem die folgenden zehn Ausbildungswochen. Die Hölle auf Erden, physisch wie psychisch. Das geht so weit, dass man Lust bekommt, sich die Kugel zu geben. Gut vorstellbar, dass einer oder mehrere von den Rekruten die
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