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Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Titel: Öffne die Augen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franck Thilliez
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Ägypter wollen nicht, dass wir länger dort sind. Wir müssen uns an ihre Regeln halten.«
    » Und warum schickst du mich hin? Wie du weißt, sind Regeln nicht mein Ding. Und was, wenn ich ausraste? Du erinnerst dich noch an das kleine grüne Licht in meinem Gehirn?«
    » Eben! Wenn das kleine grüne Licht angeht, bist du am besten. Deine Krankheit verursacht komische Dinge in deinem Kopf, die dich Dinge erspüren lässt, die kein anderer wahrnimmt.«
    » Wenn du das mal unserem großen Chef erzählen könntest, dann würde er mir vielleicht etwas mehr Achtung entgegenbringen.«
    » Je weniger man ihm sagt, desto besser geht es einem. Jetzt fällt’s mir wieder ein, Auld Stag…«
    » Was?«
    » Der ägyptische Whisky, die Marke heißt Auld Stag. Notier es dir irgendwo, verdammt noch mal. Was Kathia betrifft, so nimm das teuerste Räuchergefäß. Ich möchte ihr ein richtig schönes Geschenk machen.«
    » Wie geht es ihr? Ich habe sie schon eine Ewigkeit nicht mehr besucht. Ich hoffe, sie nimmt mir nicht übel, dass…«
    » Und vergiss nicht das Antimückenmittel, sonst wirst du von den Viechern gefressen.«
    Er legte eilig auf, als hätte er das Gespräch abbrechen wollen.
    Eine Viertelstunde später bestieg Sharko in Bourg-la-Reine die RER und las den Kurzbericht, den ihm sein Chef gemailt hatte. Lucie Henebelle… ledig, zwei Töchter, Vater an Lungenkrebs gestorben, als sie zehn Jahre alt war, Mutter im Heim. Ab 2000 Polizeimeisterin in Dünkirchen. Zunächst im Büro eingesetzt, war es ihr gelungen, an der Lösung eines besonders widerwärtigen Falls mitzuwirken– genannt Die Kammer der toten Kinder, der die ganze Region Nord erschüttert hatte. Sharko kannte die hierarchische Hürde zwischen dem Grad Polizeimeister und dem Polizeihauptmeister. Wie hatte sie es als einfache Büromaus geschafft, eine Treibjagd anzuführen, bei der es um Psychopathen und Rituale ging? Welche innere Kraft hatte diese Mutter dazu gebracht, auf die andere Seite zu wechseln?
    Dann war sie zur Kripo von Lille gekommen und zur Polizeikommissarin befördert worden. Beachtlicher Aufstieg. Sie suchte die Großstadt, wo die Chancen, an die widerwärtigsten Verbrechen zu geraten, am größten waren. Bis dahin tadellose Karrierelaufbahn. Eine hartnäckige, gewissenhafte Frau, so ihre Vorgesetzten, die aber mehr und mehr dazu neigte, eigenmächtig zu handeln. Einsätze im Alleingang, regelmäßige Konfrontationen mit der Hierarchie und eine ärgerliche Vorliebe für die blutrünstigsten Verbrechen. Kashmareck, ihr Vorgesetzter, beschrieb sie als » Person mit umfassendem Wissen und psychologischem Fingerspitzengefühl. Aber manchmal unberechenbar«. Sharko vertiefte sich weiter in ihr Dossier. Er hatte den Eindruck, seine eigene Geschichte zu lesen. 2006 war sie allem Anschein nach zusammengebrochen. Eine intensive Jagd bis in die Bretagne, die zu einer dreiwöchigen Krankschreibung geführt hatte. Der offizielle Terminus war » Überarbeitung«. Bei den Bullen nannte sich das Depression.
    Depression. Nach diesem Papier machte die Frau jedoch einen stabilen Eindruck. Warum dieser psychische Absturz? Die Depression überkommt einen, wenn eine Ermittlung einem zu nahegeht, wenn das Unglück der anderen zum eigenen wird. Was war ihr allzu Persönliches widerfahren?
    Eine Hand ans Kinn gelegt, hob Sharko die Augen. Sie war erst Mitte dreißig, und das Dunkel zog sie bereits jetzt derart an, dass es ihr Leben kontrollierte. In welchem Alter war er ins Wanken geraten? Vielleicht schon früher. Und das Ergebnis war deutlich sichtbar. Jeder Beobachter hätte die Situation im Nu begriffen: Ein Typ, vollgepumpt mit Tabletten, der allein altern würde, geprägt von einem gescheiterten Leben, das in jeder seiner Falten seine Spuren hinterlassen hatte.
    Gegen 19:20 Uhr erreichte er die Gare du Nord, weniger verschwitzt als gewöhnlich. Im Juli wurden die Arbeiter durch Touristen ersetzt, die disziplinierter und mehr auf Abstand bedacht waren. Der Puls von Paris schlug langsamer.
    Bahnsteig Nummer 9. In beigefarbenen Bermudas, gelbem Freizeithemd und Bootsschuhen, die Arme vor der Brust verschränkt, wartete Sharko, umgeben von Tauben, in einem übelriechenden Luftzug. Er hasste Bahnhöfe, Flughäfen, alles, was daran erinnerte, dass Menschen sich trennten. Hinter ihm begleiteten Eltern ihre Kinder zu den überfüllten Zügen, die sie zu ihren Ferienlagern bringen würden. Diese Art von Trennung hatte etwas Gutes, denn sie vergrößerte später die

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