Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Titel: Öffne die Augen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franck Thilliez
Vom Netzwerk:
Ufer des Nils, wo sich der Fluss teilte, im Nordwesten– fünf Kilometer vom Polizeikommissariat entfernt–, die weiße Wüste im Süden. Die Mädchen besuchten Schulen der unteren Mittelklasse oder der Armen. Nahed kannte Kairo wie ihre Westentasche. Sie konnte jedes Viertel und die Adressen der Mädchen auf Anhieb zeigen. Sharko interessierte sich besonders für die Tora-Zementwerke, die größten der Welt, in deren Nachbarschaft eines der Opfer gewohnt hatte.
    » Vorhin sprachen Sie von formlosen Siedlungen in der Nähe der Friedhöfe. Was ist damit gemeint?«
    » Es handelt sich um Viertel mit illegal von den Armen errichteten Behausungen. Keine Strom- und Wasserversorgung, keine Sanitäranlagen, keine Müllabfuhr. Aufgrund der Landflucht platzt die Stadt aus allen Nähten und dehnt sich immer weiter aus. Der Staat stellt jährlich etwa hunderttausend Wohnungen zur Verfügung, siebenhunderttausend müssten es sein, um dem demografischen Wachstum zu entsprechen.«
    Sharko machte sich ausführliche Notizen. Namen der Mädchen, Auffindungsorte, geografische Lage…
    » Handelt es sich bei diesen Vierteln um Slums?«
    » Die Slums von Kairo sind noch schlimmer. Man muss es gesehen haben, sonst glaubt man es nicht. Das zweite Opfer, Boussaïna, lebte in der Nähe von einem.«
    Der Kommissar sah sich noch einmal aufmerksam die Fotos an. Die Gesichter, physische Besonderheiten. Er konnte einfach nicht glauben, dass es sich nur um einen Zufall handelte. Der Mörder hatte sich von einem Viertel zum anderen begeben. Arme, nicht besonders hübsche Mädchen, die keine Aufmerksamkeit erregten. Warum gerade diese drei? War er durch seine Aktivitäten oft mit dem Elend in Berührung gekommen? War er ihnen schon vorher begegnet? Eine Gemeinsamkeit… es musste zwangsläufig eine Gemeinsamkeit geben.
    Eine Stunde später kämpfte sich Nahed durch die Autopsieberichte, die sehr technisch und deshalb schwer zu übersetzen waren. Sie erklärte, dass in den drei Körpern Ketamin, ein starkes Anästhetikum, gefunden worden sei. Alle drei Opfer mussten spätnachts gestorben sein. Die eigentliche Todesursache aber gab am meisten zu denken. Die Verstümmelungen stammten von Messerstichen, die post mortem beigebracht worden waren. Der Tod schien eine direkte Folge der Öffnung der Schädel– und natürlich der Entnahme der Gehirnmasse und der Augen– gewesen zu sein. Als ihnen die Schädeldecken abgesägt wurden, hatten die Mädchen wahrscheinlich noch gelebt. Die vielen Messerstiche erfolgten erst später.
    Sharko wischte sich die Stirn mit einem Taschentuch ab, während Nahed, den Blick ins Leere gerichtet, schwieg. Der Polizist stellte sich das Szenario vor. Der Mörder entführt die Mädchen am Abend, betäubt sie und nimmt sie mit, um dann, mit seinem Mordwerkzeug bewaffnet, sein Schreckenswerk durchzuführen. Die Chirurgensäge, das Skalpell für die Enukleation, das Messer mit der großen Klinge für die Stiche. Er verfügt mit Sicherheit über ein Auto, er kennt die Stadt und hat sich jeweils vor Ort umgesehen. Warum aber die Verstümmelungen post mortem? Ein nicht zu bezwingendes Bedürfnis, die Leichen zu dehumanisieren? Sie zu besitzen? Empfindet er einen so starken Hass, dass er sich nur durch einen letzten Akt der Zerstörung von ihm befreien kann?
    In der stickigen Luft des Büros verglich der Kommissar diesen Modus Operandi mit dem der Mörder in Frankreich. In dem Fall hier gab es immerhin noch so etwas wie ein Ritual, der Mörder handelte organisiert und war nicht darauf bedacht, die Leichen zu verbergen. Außerdem hatte er die Schädel geöffnet, als seine Opfer noch lebten. In Frankreich dagegen waren die meisten Männer durch Schüsse getötet worden, und zwar im Chaos, wovon die Eintrittsstellen der Projektile zeugten. Und nicht zu vergessen der Aufwand, um eine Identifizierung unmöglich zu machen: abgeschlagene Hände, herausgebrochene Zähne.
    Zwei Mordserien, zugleich ähnlich und unähnlich, was Zeit und Ort betraf. Gab es wirklich eine Verbindung zwischen ihnen? Und wenn er von Anfang an auf dem Holzweg gewesen war? Wenn der Zufall letzten Endes doch ein Wörtchen mitzureden hatte? Sechzehn Jahre… sechzehn lange Jahre.
    Und trotzdem witterte Sharko einen nicht greifbaren Zusammenhang– der gleiche teuflische Wille, zwei der wertvollsten Organe des menschlichen Körpers zu entnehmen: das Gehirn und die Augen.
    Warum diese drei Mädchen in Ägypten?
    Warum diese fünf Männer in Frankreich, darunter ein

Weitere Kostenlose Bücher