Öffne die Augen: Thriller (German Edition)
verbessert werden. Die Ordnungskräfte mussten alle Möglichkeiten nutzen können.
Lucie trat in das Büro ihres Vorgesetzten. Kashmareck war im Gespräch mit Kommissar Madelin. Der junge Wolf, gerade mal fünfundzwanzig Jahre alt, Strebertyp, hatte soeben der Autopsie von Claude Poignet beigewohnt. Die Dreifachfraktur des Zungenbeins deutete auf ein Erwürgen hin, und der Beginn von Totenflecken auf dem Deltamuskel und der linken Hüfte bewiesen, dass Poignet in der Seitenlage gestorben war. Die Mörder hatten ihn mindestens eine halbe Stunde am Boden liegen lassen, bevor sie ihn aufhängten.
Kashmareck leerte seine Kaffeetasse. Er trank das schwarze Gebräu, wie andere Leute Wasser trinken.
» Eine halbe Stunde… genügend Zeit, um den Film zurückzuspulen, ein bisschen herumzuschnüffeln und ihre Inszenierung vorzubereiten. Kaltblütige Mörder, die nicht in Panik geraten.«
Lucie dachte angestrengt nach.
» Poignet ist also nicht durch Erhängen gestorben, sondern durch Erdrosseln.«
Der Hauptkommissar griff nach einem der im Restaurierungslabor aufgenommenen Fotos und deutete auf den Boden in einer Ecke des Raums.
» Ja, genau an dieser Stelle. Dort wurden Blutstropfen gefunden. Wahrscheinlich Blut aus der Nase. Was hat die Autopsie sonst noch ergeben?«
Madelin blätterte seine Notizen durch.
» Messer für das Aufschlitzen des Bauchs, die Art der Klinge tut nichts zur Sache, sie war scharf, das steht fest. Laut Gerichtsmediziner eine äußerst professionelle Enukleation. Ich zitiere: kreisförmige Öffnung der Cornea, Sektion der okulomotorischen Muskeln, dann des Sehnervs und schließlich Ausschälung des Augapfels. Hört sich fast nach einem chirurgischen Eingriff an.«
Kashmareck nickte.
» Das stimmt mit den Daten überein, die aus Rouen eingehen. Die Schädeldecken der fünf Leichen, die professionell aufgesägt wurden… das bestätigt die Theorie, dass es sich um dieselben Mörder handelt. Fahren Sie fort.«
» Der Rest ist rein technischer Natur, aber nichts Stichhaltiges. Proben sind an die Toxikologie gegangen, für alle Fälle. Doch ich bezweifele, dass Poignet unter Drogen gesetzt wurde.«
» Gut, wir lesen dann den Bericht. Wir warten noch auf das internationale Rechtshilfeersuchen, der Antrag für die Hausdurchsuchung bei Szpilman wurde bei den belgischen Behörden gestellt. Dort werden wir nicht selbst aktiv, wir schauen nur zu, doch das ist besser als nichts. Was sonst noch? Ähm… wir sind dabei, die kanadischen Telefonnummern, die Sie, Henebelle, uns geliefert haben, zu überprüfen, um zu sehen, ob wir Ihrem Mister X aus Montreal nicht doch auf die Spur kommen.«
Er betrachtete seufzend die mit Filzstift geschriebenen Notizen auf einer Tafel, die nicht mehr sehr weiß war. Ein Labyrinth aus Pfeilen.
» Madelin, checken Sie die Anrufe, die Poignet bis zu vierundzwanzig Stunden vor seinem Tod getätigt oder empfangen hat. Sie, Henebelle, gehen nach nebenan. Die Kriminaltechnik hat Abzüge von den beiden Filmbildern gemacht, die in den Augenhöhlen des Opfers steckten, und sie vergrößert. Schauen Sie, was die herausgefunden haben– Abdrücke, Indizien–, und kommen Sie mit den Informationen hierher zurück. Ich werde mir die Beamten vornehmen, die mit der Nachbarschaftsbefragung beschäftigt sind, und sehen, ob es da etwas Neues gibt. Heute Abend tragen wir alles zusammen. Ich brauche jetzt Konkretes, handfeste Fakten, sonst kommen wir mit unseren Überlegungen nicht weiter.«
Kapitel 20
Das Bild, das Sharko von Kairo hatte, veränderte sich wie die glitzernde Wasseroberfläche des Nils. Der Taxifahrer, ein Osta Bil-Fitra – ein Chauffeur mit Leib und Seele, der ein wenig Französisch sprach–, hatte ihn durch kleine Gassen der Stadt gefahren. Das ägyptische Volk schien ein ausgelassenes, unbeschwertes Leben auf der Straße zu führen. Alles bot Anlass zu lebhafter Kommunikation. Die Metzger zerteilten ihr Fleisch auf dem Bürgersteig, die Frauen putzten das Gemüse vor der Tür, das Brot wurde auf der Straße verkauft. Sharko hatte den Eindruck, sich durch ein lebendes Bild zu bewegen und inmitten des chaotischen Verkehrs von den elegant wehenden Dschellabas gleichsam aufgesogen zu werden. Er nahm den Atemhauch des Islam in den heißen Straßen wahr, mit ihren vor Schönheit glühenden Moscheen, die sich in ihrer ganzen Pracht auf ihren einzigen Gott konzentrierten. Es gibt keinen Gott außer Gott.
Sie gelangten in den koptischen Teil der Stadt, wo die Jugendlichen
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