Öffne die Augen: Thriller (German Edition)
von der Polizei gefälschte Sache?«
» Ja, von diesem Hurensohn Noureddine.«
» Warum?«
» Das habe ich nie in Erfahrung gebracht. Bis heute, da ich jetzt durch Ihre Hinweise verstehe, dass alles mit besagten Ermittlungen zu tun hatte. Diese brutal ermordeten Mädchen…«
Atefs Blick verlor sich. So geschminkt, ging eine feminine Sinnlichkeit von ihm aus.
» Mahmud hat sich in diese Geschichte verbissen. Er brachte seine Akten, Fotos und persönlichen Notizen oft mit nach Hause, und er hat mir erzählt, dass die Ermittlungen schnell abgeschlossen wurden. Seine Vorgesetzten haben ihn auf einen anderen Fall angesetzt. Hier verliert man seine Zeit nicht damit, den Mord an Armen aufzuklären, verstehen Sie?«
» Ja, in der Tat fange ich langsam an zu verstehen.«
» Aber Mahmud führte seine Nachforschungen heimlich fort. Als die Polizei nach seinem Tod seine Wohnung durchsuchte, haben sie alles mitgenommen. Und jetzt erzählen Sie mir, dass diese Dokumente nicht mehr da sind. Irgendjemand hatte also ein Interesse daran, sie verschwinden zu lassen.«
Sobald jemand näher kam, blickte sich Atef aufmerksam um. Der Rauch der Wasserpfeifen verhüllte die Gesichter und die gewagten Gesten. Einige Männer verließen die Bar. Hier tauchte man allein auf und verschwand zu zweit für eine Nacht der Leidenschaft.
Sharko nahm einen Schluck Bier. Die Stimmung war angespannt.
» Und hat Ihnen Ihr Bruder sonst nichts erzählt? Einzelheiten oder Parallelen zwischen den Fällen?«
Der Araber schüttelte den Kopf.
» Das liegt lange zurück, Kommissar. Und wenn Sie nur in Andeutungen von der Sache sprechen, hilft mir das auch nicht weiter.«
» Nun gut, dann werde ich Ihr Gedächtnis auffrischen.«
Sharko breitete die Fotos der Opfer auf dem Tisch aus. Diesmal wiederholte er exakt, was Nahed ihm in dem stickigen Polizeibüro übersetzt hatte. Über die Auffindung der Leichen und die Einzelheiten des Autopsieberichts. Atef lauschte aufmerksam, ohne sein Bier oder die Mezze anzurühren.
» Ezbeth-El-Nakhl…«, wiederholte er. » Jetzt, da Sie es sagen… Ich glaube, mein Bruder war wegen seiner Ermittlungen dort. Und auch in Shubra… Shubra, die Zementwerke. An all das erinnere ich mich nur vage.«
Er schloss für einige Sekunden die Augen, öffnete sie dann wieder, griff nach dem Foto und betrachtete es.
» Ich glaube, mein Bruder war überzeugt davon, dass es eine Verbindung zwischen den Morden an den Mädchen gab. Die Verbrechen lagen zeitlich zu nahe zusammen und waren zu ähnlich, als dass es sich um einen Zufall hätte handeln können. Der Mörder hatte eindeutig einen Plan, einen Weg, dem er folgte.«
Sharkos Kehle schnürte sich immer mehr zu. Mahmud hatte den Mörder gewittert, er hatte das Richtige getan und war von dem Prinzip ausgegangen, dass ein Mörder selten zufällig zuschlägt. Wie ein europäischer Ermittler… mit Sicherheit der einzige in dieser riesigen Stadt.
» Was für einen Plan?«
» Das weiß ich nicht. Mein Bruder hat mir nicht viel erzählt, weil… ich seinen Beruf nicht mochte. Aber ich weiß, wem er vielleicht mehr anvertraut hat.«
» Wem?«
» Meinem Onkel. Er war derjenige, der uns vor so langer Zeit aus der Armut geholt hat. Sie waren einander sehr zugetan und erzählten sich viel.«
Hinter ihnen kreisten die Schnapsflaschen, die Stimmung wurde entspannter. Hände näherten sich, Finger strichen über Unterarme, das Verlangen wurde deutlich. Sharko beugte sich über den Tisch.
» Lassen Sie uns zu Ihrem Onkel fahren.«
Atef zögerte lange.
» Im Gedenken an meinen Bruder will ich Ihnen gerne helfen. Aber ich fahre allein. Ich bin lieber vorsichtig und zeige mich möglichst wenig mit Ihnen. Treffen wir uns morgen vor der Saladin Zitadelle, eineinhalb Stunden nach dem Ruf zum Gebet. Also um sechs Uhr vor dem linken Minarett. Bis dahin habe ich die Informationen, die Sie wollen.«
Atef trank sein Bier.
» Ich bleibe noch etwas. Gehen Sie jetzt, und vor allem…«
Sharko griff schließlich doch nach seinem Whiskyglas und leerte es in einem Zug.
» Ich weiß, kein Wort. Bis morgen.«
Sobald er draußen war, verlor sich der Bulle absichtlich in den Straßen von Kairo, ließ sich von dem Menschenstrom, den Farben und Gerüchen mitreißen.
Vielleicht hatte er eine Spur.
Die Temperatur war um etwa zehn Grad gesunken. Sharko wollte nicht in sein kleines trübes Hotelzimmer zurückkehren und sich mit seinen Obsessionen auseinandersetzen. Die Stadt trug ihn in einen Strudel
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