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Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Titel: Öffne die Augen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franck Thilliez
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der Geheimnisse. Er entdeckte unglaubliche Bars, eingezwängt zwischen Hochhäusern, von Laternen erhellte Rauch-Stuben, in denen die Glutträger mit ihren Kohlebecken hin und her liefen, er traf auf Straßenhändler, die Plastikportemonnaies und Papiertaschentücher verkauften, erlebte Szenen, die er sich vorher nicht einmal hätte vorstellen können. Er rauchte und trank Tee, ohne sich zu sorgen, mit welchem Wasser er gekocht war. Irgendwo im islamischen Kairo wohnte er wie im Rausch der Tötung dreier junger Stiere bei, die die Schlächter mitten auf der Straße abstachen, zerteilten und zum Verkauf in Beutel verpackten. Inmitten der Nacht barfüßige Kinder, schwarz verschleierte Frauen neben einem wohlhabenden Mann im Anzug, der Flugblätter verteilte. Man warf ihnen mit den politischen Werbeschriften Tüten mit Fleisch zu, es herrschte Gedränge und Geschrei. Die ganze Stadt vibrierte.
    Plötzlich wurde Sharko aus seiner Euphorie gerissen und kniff die Augen zusammen. Dort drüben abseits von der Menge stand ein Mann mit Schnauzbart und Käppi.
    Hassan Noureddine.
    Der Hauptinspektor verschwand in einer Gasse.
    Sharko wollte sich einen Weg in seine Richtung bahnen, doch die Menge hinderte ihn daran. Er kämpfte sich zwischen den Menschen hindurch und begann, dem Meer von Körpern entkommen, loszurennen. Als er endlich die Stelle erreicht hatte, war Noureddine verschwunden. Er irrte durch die verlassenen Gässchen, bis er schließlich allein in einem ruhigen Wohnviertel stand.
    Man war ihm gefolgt. Sogar hier. Was hatte das zu bedeuten?
    Und wenn er geträumt hatte? Wenn es eine Vision gewesen war wie Eugénie?
    Sharko drehte sich um. Die Luft hier schien eisig. Diese Stille, die Dunkelheit, die düsteren Fassaden. Er beschleunigte den Schritt, bis er wieder die lebhafte große Straße erreicht hatte. In der Nähe ein Summen, der unnachahmliche Gesang der Frauen erhob sich in die Lüfte, begleitet vom Klappern der Kastagnetten und vom Rollen der Tablas, der Trommeln. Sharko war in Ägypten und entdeckte diese einfachen Menschen, die bei Tisch alle aus einem Glas tranken, die auf der Straße lebten und ihr Brot am Straßenrand buken.
    Doch inmitten dieses unbeschwerten Lebens hatte ein Monster zugeschlagen. Ein blutrünstiger Ghul hatte seine dunkle Spur von Viertel zu Viertel gezogen.
    Das war vor fünfzehn Jahren gewesen.
    Als er schließlich im Zimmer 16 des Happy City Hotel lag, wegen der Mücken nach ägyptischer Art in sein Laken gewickelt, hielt sich Sharko die Ohren zu. Eugénie bespritzte die Wände schimpfend mit Cocktailsauce. Sie wollte keine Leichen und keinen Horror mehr, sie weinte und raufte sich mit durchdringendem Geschrei die Haare. Und sobald Sharko, von Müdigkeit überwältigt, einschlummerte, klatschte sie laut in die Hände, sodass er wieder aufschreckte.
    » All diese Leute überwachen dich. Man spioniert uns nach, mein lieber Franck, durchs Fenster, durchs Schlüsselloch. Sie folgen uns, nehmen unsere Fährte auf. Wir müssen zurück nach Hause, ehe sie uns etwas antun. Willst du, dass man uns quält wie Eloise und Suzanne? Erinnerst du dich? Suzanne nackt mit ihrem gewölbten Bauch auf einem Holztisch gefesselt. Ihre Schreie, sie fleht dich an, Franck, sie fleht dich an. Warum warst du nicht da, um sie zu retten? Warum, mein lieber Franck?«
    Das Wenicke-Zentrum seines Gehirns blinkte. Er erhob sich und warf einen Blick auf die Straße. Er sah auf Köpfe und weiße Gewänder. Keine Spur von dem dicken Hauptinspektor mit den sternenbesetzten Schulterklappen. Dann überzeugte er sich, dass Tür und Fensterläden gut verschlossen waren. Die Paranoia blieb, brannte sich in seine Haut, und Eugénie weigerte sich zu gehen. Erschöpft lief Sharko zum Kühlschrank, nahm die Eiswürfel heraus und warf sie in die Badewanne. Dann schloss er die Tür hinter sich, ließ das kalte Wasser einlaufen und stieg in das eisige Nass, das ihm den Atem verschlug und seinen Körper frösteln ließ. Der hohe Emaillerand bildete einen vertrauten Schutzwall, der ihn beruhigte.
    Schließlich schlief er, zusammengekrümmt und zitternd, in der leeren Badewanne ein wie ein alter Hund– allein mit seinen Dämonen und weit weg von zu Hause. Die kleine Ova-Hornby-Lokomotive mit dem schwarzen Holz- und Kohletender hatte er an die Brust gedrückt.

Kapitel 23
    Der stets verstopfte Autobahnring um Brüssel entließ die letzten Arbeiter an den Stadtrand. Wegen der großen Hitze der letzten Tage war der Himmel, allen

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