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Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Titel: Öffne die Augen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franck Thilliez
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und Zorn förmlich greifbar waren, gerieten die anderen Mädchen in Panik. Sie drängten sich noch dichter zusammen, während die verängstigten Hasen zwischen ihren Beinen hindurchhüpften. Dann wandten sich ihre Blicke in dieselbe Richtung, in die zuvor das Mädchen von der Schaukel geschaut hatte. Lucie hätte schwören können, dass dort jemand stand und mit ihnen sprach. Jemand, den der Kameramann nie filmte. Ohne Zweifel der Initiator des Grauens. Der Guru. Das Monster.
    Die Züge der Kinder verzerrten sich noch stärker, ihre Schultern waren gebeugt, und die Furcht schien übermächtig. Plötzlich sprang ein Kind schreiend vor und lief dem Tier nach, das vor ihm hoppelte. Es packte es bei den Ohren und schleuderte es an die Wand.
    Die folgenden Bilder übertrafen alles, was die menschliche Fantasie sich ausmalen konnte.
    Gemetzel, Blutbad, Wahnsinn waren die Worte, die dieser Szene am ehesten entsprachen. Eines nach dem anderen begannen die Mädchen die Kaninchen zu massakrieren. Stumme Schreie, Blut, Tierkörper, die durch die Luft flogen, an die Wände geschleudert und zertrampelt wurden. Das barbarische Horrorszenario kannte keine Grenzen. Die Bilder schwankten, das Objektiv schien zu zögern, nicht mehr zu wissen, worauf es sich richten sollte. Der Kameramann versuchte, die Gesichter, die Gesten der Kinder mit dem Zoom, den Irrsinn der ganzen Szene mit Totalen einzufangen.
    Innerhalb kürzester Zeit waren die etwa vierzig Kaninchen getötet. Gesichter und Kleidung der Mädchen waren blutig. Sie standen, knieten oder hockten keuchend da, jedes für sich. Die Mädchen waren verstört, die Blicke auf Blut und Gedärme gerichtet.
    Der Film war zu Ende. Der Bildschirm wurde schwarz.
    Seufzend klappte Lucie den Laptop zu. Sie hob die geöffneten Hände vor ihr Gesicht: Ihre Finger zitterten noch immer. Ein unkontrollierbares Zittern, das sie seit dem Vortag ergriffen hatte. Und wieder hatte sie das Verlangen, ihre Tochter zu spüren. Im Pyjama lief sie zu Juliettes Bett und drückte die schlafende Kleine an sich. Den Tränen nahe, streichelte sie ihr Haar. In den letzten Jahren hatte sie kaum geweint. In depressiven Phasen heult man so viel, dass man hinterher das Gefühl hat, der Vorrat an Tränen sei aufgebraucht. Doch jetzt spürte sie, der Damm könnte erneut brechen und eine Woge des Kummers sie überspülen.
    Plötzlich überkam sie der unwiderstehliche Wunsch, Sharko anzurufen. Sie sprang auf und wählte die Nummer, die sie von der Dienststelle erhalten hatte. Sie musste mit jemandem über die Sache sprechen. Alles einem verständnisvollen Zuhörer erklären, der die Dinge so empfand wie sie. Das zumindest hoffte sie. Zu ihrem Bedauern geriet sie an die Mailbox. Sie atmete tief durch und sagte:
    » Hier Lucie Henebelle. Wir haben Neuigkeiten hinsichtlich des Films. Darüber würde ich gerne mit Ihnen sprechen. Und wie geht es bei Ihnen in Ägypten voran? Sie können mich jederzeit anrufen.«
    Sie beendete das Gespräch, streckte sich auf dem Bett aus und schloss die Augen. Auch Kashmareck war auf der Rückfahrt recht kleinlaut gewesen. Normalerweise hätten sie die Sache ausführlich diskutieren müssen, doch stattdessen hatten sie beide in Gedanken verloren vor sich auf die Straße geschaut. Ihr Chef hatte lediglich gesagt: Wir reden morgen darüber, Lucie. Okay?
    Ja, morgen. Jetzt war schon morgen. Eine schlaflose Nacht voller Grauen.
    Plötzlich bewegte sich Juliette und schmiegte sich an die Brust ihrer Mutter.
    » Maman…«
    » Alles in Ordnung, Liebes, alles in Ordnung. Schlaf weiter, es ist noch früh.«
    Eine schläfrige Stimme voller Zärtlichkeit.
    » Bleibst du bei mir?«
    » Ja, ich bleibe bei dir. Immer.«
    » Ich habe Hunger, Maman…«
    » Du hast Hunger? Aber das ist ja wunderbar! Soll ich…«
    Doch die Kleine war schon wieder eingenickt. Lucie seufzte erleichtert. Vielleicht war endlich das Ende des Tunnels in Sicht. Zumindest in dieser Angelegenheit.
    Kinder, dachte sie und wandte sich wieder ihrem Fall zu, kaum älter als Juliette. Welches Monster hatte sie zu so etwas treiben, welcher Mechanismus solche Gewalt auslösen können? Lucie sah wieder den Raum vor sich, die Kleider, die sterile Umgebung. Ein Kinderkrankenhaus wie hier? Waren diese Mädchen Patienten, die an irgendeiner Krankheit litten, vielleicht an einer schweren psychischen Störung? Und der Mann, der sich immer außerhalb des Bildes befand… ein Arzt? Ein Wissenschaftler?
    Der Mediziner, der Cineast. Ein verfluchtes

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