Öffne die Augen: Thriller (German Edition)
und wäre der glücklichste Mensch auf der Welt, wenn Sie für mich herausfinden könnten, welche Krankenhäuser für sie zuständig waren, und noch glücklicher, wenn Sie dort anrufen und sich bestätigen lassen könnten, dass auch diese Mädchen an der Hysterie litten.«
» Dafür brauche ich den ganzen Nachmittag, ich bin sehr beschäftigt und…«
» Möchten Sie den Eltern dieser Kinder nicht eines Tages eine Antwort geben können?«
Nach einem kurzen Schweigen nickte der Arzt. Sharko schrieb ihm seine Handynummer auf.
» Sagen Sie, darf ich mir Ihr Buch über die kollektive Hysterie ausleihen? Ich schicke es Ihnen in Kürze aus Frankreich wieder zurück.«
Der Nubier nickte erneut. Sharko dankte ihm überschwänglich.
Dann ließ er ihn inmitten dieses Elends zurück, von dem die Welt keine Notiz nahm.
Kapitel 29
Die örtliche Polizeistelle von Lüttich hatte einen Schlüsseldienst, einen Polizeimeister und zwei Kommissarsanwärter als Begleitung für Lucies Besuch bei Szpilman abgestellt. Theoretisch hatte sie als Französin keinerlei Recht, irgendetwas anzufassen. Sie war nur vor Ort, um den belgischen Kollegen bei ihren Nachforschungen Anhaltspunkte zu liefern und bei Bedarf den Tatbestand aufzunehmen.
Lucie fühlte sich nicht besonders wohl vor der geschlossenen Tür der Lütticher Wohnung. Luc Szpilman hatte weder auf die Ankündigung einer Hausdurchsuchung noch auf die Anordnung der Erstellung eines Phantombildes des Mannes mit den Rangerstiefeln reagiert. Auch auf das ungeduldige Klingeln der Polizeibeamten erfolgte keine Reaktion. Während sich der Mann vom Schlüsseldienst mit seinem Werkzeug bereits anschickte, das Schloss zu öffnen, trat Lucie mit vorgestreckten Armen dazwischen.
» Ich denke, das ist überflüssig.«
Mit dem Kinn deutete sie auf das aufgehebelte Schloss.
» Vorsicht, berühren Sie den Türgriff nicht. Haben Sie Handschuhe dabei?«
Debroeck, der Einsatzleiter, zog mehrere Paar aus den Taschen seiner Uniform. Er verteilte sie an seine Kollegen und reichte auch Lucie welche. Es herrschte Schweigen. Die Männer entsicherten ihre Glock .9 Para und drangen in das Haus ein, gefolgt von Lucie, die ihre Sig Sauer zog. Der Mann vom Schlüsseldienst blieb draußen.
Im Inneren das Summen von Fliegen.
Ohne Vorwarnung waren sie mit einem eiskalten Verbrechen konfrontiert. Lucie rümpfte die Nase.
Luc Szpilmans Leiche lag hinter dem Sofa, die seiner Freundin auf den Stufen zur Küche. Unter ihr breitete sich eine Blutlache aus.
Alle beide waren von hinten durch zahlreiche Messerstiche ermordet worden, Pyjama und Nachthemd waren von den Waden bis zum Hals durchlöchert.
Lucie fuhr sich über das Gesicht. Seit drei Tagen bewegte sie sich auf unsicherem Terrain, und das nagte allmählich an ihren Nerven. Dieses Schauspiel des Todes wirkte wie ein Standbild, so als würden die Leichen gleich wieder zum Leben erwachen und ihre Flucht fortsetzen. Denn sie hatten versucht zu fliehen. Man konnte sich die Szene gut vorstellen: Wahrscheinlich war es Nacht. Die Mörder brachen die Tür am anderen Ende des großen Hauses auf und kamen herein. Es war vielleicht zwei oder drei Uhr morgens gewesen. Sie gingen davon aus, dass Luc Szpilman allein war und schlief. Aber welche Überraschung, der Typ saß mit seiner Freundin vor ihnen auf dem Sofa. Sie waren dabei, sich einen Joint zu drehen, der noch auf dem Couchtisch lag. Luc erkannte plötzlich einen von ihnen– den mit den Rangern an den Füßen, der den Film haben wollte. Die jungen Leute gerieten in Panik und versuchten zu flüchten. Die Mörder holten sie jedoch ein und stachen sie unzählige Male in den Rücken.
Lucie und die Polizisten blieben wie erstarrt stehen, keiner sagte etwas. Kreidebleich im Gesicht, bat der Jüngste von ihnen, ein Kommissarsanwärter von knapp fünfundzwanzig Jahren, hinausgehen zu dürfen. Er arbeitete für die Orts-, nicht für die Bundespolizei und war an solche Fälle nicht gewöhnt. Man hatte an einem ruhigen Tag ein Haus durchsuchen wollen und stand plötzlich vor zwei von Messerstichen übersäten Leichen, auf denen es bereits von Fliegen wimmelte.
Debroeck reagierte besonnen und sorgte dafür, dass der Tatort nicht kontaminiert wurde. Die belgische Polizei bildete ihre Leute gut aus, was sich auch hier deutlich zeigte. Lucie bemühte sich, die Leichen außer Acht zu lassen, und betrachtete die unmittelbare Umgebung des Tatortes. Offene Schubladen, umgestürzte Möbel. Sie bemerkte einen aufgebrochenen
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