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Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Titel: Öffne die Augen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franck Thilliez
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Händler verkauft, die ihn wiederum an die örtlichen Wiederverwertungsgesellschaften weiterverkaufen. Schweine machen sich über die organischen Abfälle her, sodass letztlich neunzig Prozent des Mülls weiterverwertet werden. Eigentlich ein ökologisches Modell, stünde nicht dieses Elend dahinter. Unsere Aufgabe hier im Zentrum ist es, den Leuten zu zeigen, dass sie noch Menschen sind.«
    Sharko deutete mit dem Kopf auf ein Foto hinter sich.
    » Ist das nicht Schwester Emmanuelle?«
    » Ja, das ist sie. Das Salam-Zentrum wurde in den Sechzigerjahren gegründet. Salam bedeutet auf Arabisch ›Friede‹.«
    » Friede…«
    Sharko zog das Foto von einem der Opfer heraus und zeigte es dem Arzt.
    » Die Aufnahme ist über fünfzehn Jahre alt. Dieses Mädchen, Boussaïna Abderrahmane, wurde in diesem Krankenhaus behandelt.«
    Der Arzt nahm das Foto, und sein Blick verfinsterte sich.
    » Boussaïna Abderrahmane. Ich habe sie nie vergessen. Ihre Leiche wurde fünf Kilometer nördlich von hier in den Zuckerrohrfeldern entdeckt. Das war…«
    » Im März 1994.«
    » März 1994… Ich erinnere mich, es war ein großer Schock. Boussaïna Abderrahmane lebte mit ihren Eltern an der Grenze zum Viertel Ezbet-el-Nakhl, in der Nähe der Metrostation, auf der anderen Seite des Elendsviertels. Tagsüber ging sie auf die christliche Schule Sainte-Marie, abends verdiente sie sich etwas Geld in einer Juwelierwerkstatt. Aber sagen Sie, vor langer Zeit kam schon einmal ein Polizist hierher. Er hieß…«
    » Mahmud Abd el-Aal.«
    » Richtig, so hieß er. Er war ein, wie soll ich sagen, etwas anderer Polizeibeamter. Wie geht es ihm?«
    » Er ist schon lange tot. Es war ein Unfall.«
    Sharko wartete ein wenig, dann fuhr er fort:
    » Können Sie mir etwas über das Mädchen erzählen? Warum wurde sie hier behandelt?«
    Der Arzt fuhr sich mit der Hand über sein faltiges Gesicht. Sharko erkannte in ihm einen erschöpften Mann, der trotzdem eine starke Ausstrahlung besaß. Zweifellos die der Güte und des Muts.
    » Ich werde versuchen, es Ihnen zu erklären, soweit man das Unbegreifliche erklären kann.«
    Er stand auf und begann, in dicken Ordnern zu suchen, die auf alten Regalen standen.
    » 1993– 1994… da ist es.«
    In diesem Chaos hatte alles seinen Platz. Der Arzt blätterte in dem Ordner, dann reichte er dem Kommissar einen Zeitungsartikel. Sharko gab ihn ihm zurück:
    » Bedaure, aber ich…«
    » Oh, wie dumm von mir. Es ist ein Artikel aus der Zeitung al-Ahali vom April 1993. Ich werde Ihnen den Inhalt erläutern.«
    Sharkos Gehirn arbeitete bereits auf Hochtouren. April 1993, also ein Jahr vor den Morden. Der Artikel nahm eine ganze Seite ein und wurde von den Fotos einiger Schulklassen unterbrochen.
    » Ab dem einunddreißigsten März 1993 wurde unser Land von einem eigenartigen Phänomen heimgesucht, das allerdings nur wenige Tage andauerte. Etwa fünftausend Menschen, überwiegend junge Mädchen, durchlebten eine seltsame Erfahrung. In den meisten Fällen handelte es sich um eine ein- oder zweiminütige Ohnmacht in der Schule, der heftige Kopfschmerzen vorausgingen. Es gab keinerlei Vorzeichen. Die Mädchen wurden sofort in das jeweils nächstgelegene Krankenhaus gebracht, wo erste Untersuchungen vorgenommen wurden. Nachdem diese nichts ergaben, entließ man die Patientinnen nach Hause.«
    Der Arzt wandte sich zu einer Karte von Ägypten, die hinter ihm hing, und zeigte auf verschiedene Regionen.
    » Einige dieser Schulmädchen fielen nicht in Ohnmacht, sondern entwickelten aggressive Verhaltensweisen. Sie schrien, traten gegen die Türen, es kam zu grundloser Gewalt gegenüber Klassenkameraden. Das Phänomen begann im Gouvernement Beheira und breitete sich im Handumdrehen über fünfzehn der neunzehn Gouvernements Ägyptens aus. Es betraf Städte wie Sharqiyya, Kafr el-Sheikh und Kairo. Man könnte es mit einem Erdbeben vergleichen, dessen Epizentrum Beheira war und dessen Stoßwelle die Hauptstadt erreichte.«
    Sharko stützte sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch.
    » Aber wovon sprechen Sie da? Von einer Art Virus?«
    » Nein, kein Virus. Fachleute haben versucht, das Phänomen zu untersuchen. Es zirkulierten die wildesten Gerüchte. Da war die Rede von einer landesweiten Lebensmittelvergiftung, dem Verzehr unreifer Saubohnen oder einem Gasaustritt aus der Erde. Bei einem Virus hätte sich alles erklären lassen, aber die Art der Verbreitung passte nicht dazu, und auch die medizinischen Analysen ergaben nichts. Sehr

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