Öffnet den Himmel
an der Oberfläche eine Religion, die ein ausgeklügeltes Programm genetischer Forschungen überdeckte. Zumindest kam es ihm so vor, obwohl es auch Augenblicke gab, wo er seine Zweifel hatte, was Oberfläche und was die darunterliegende Wirklichkeit war. So viele andere schienen geistige Bereicherungen von der Bruderschaft beziehen zu können – dagegen hatte er nicht einen Beweis, daß die Labors in Santa Fe überhaupt etwas zustande brachten.
Er schloß die Augen. Sein Kopf sackte nach vorn auf die Brust. Er stellte sich Elektronen vor, die durch ihre Kreisbahnen wirbelten. Im stillen sagte er die Elektromagnetische Litanei auf und ging die Stationen des Spektrums durch.
Er dachte an den Christopher Mondschein, wie er durch die Jahrhunderte lebte. Wie eine glühende Nadel stach dieser Wunsch in seinem Innern, während er gerade die mittleren Frequenzen erreicht hatte. Noch lange bevor er zu den weichen Röntgenstrahlen kam, war er vor lauter Frustration schweißgebadet, und die Furcht vor dem Tod bereitete ihm Übelkeit. Noch sechzig oder siebzig Jahre, und er konnte den Löffel abgeben, während man in Santa Fe …
Hilf mir. Hilf mir. Hilf mir.
Irgendeiner muß mir doch helfen. Ich will nicht sterben!
Mondschein sah auf den Altar. Das Blaue Feuer flackerte, als wolle es ihn damit verhöhnen, daß es erlosch. Niedergeschmettert von dem schauerlichen Glühen, sprang Mondschein auf und rannte nach draußen ins Tageslicht.
2
Er war schon eine recht auffällige Figur mit seiner indigoblauen Robe und der mönchhaften Kapuze. Die Leute starrten ihn an, als sei er im Besitz von irgendwelchen übernatürlichen Kräften. Sie sahen ihn sich nicht so genau an, um festzustellen, daß er nur ein Altardiener war. Und obwohl viele von den Leuten auch dem Vorst-Glauben anhingen, konnten sie es doch nie richtig begreifen, daß die Bruderschaft keinen Draht zum Übernatürlichen besaß. Mondschein seinerseits hatte keine allzu hohe Meinung vom Intelligenzniveau der Laien.
Er reihte sich auf dem Gleitband ein. Die Stadt ragte undeutlich um ihn herum auf; Türme aus Trevertin, die sich wie ein schmieriger Nebel vom rötlichen Glühen des Märznachmittags abhoben. New York City hatte sich wie eine Pest den Hudson entlang ausgebreitet, und die Wolkenkratzer marschierten die Adirondacks entlang. Das hiesige N’York war schon längst von der Metropole einverleibt worden. Die Luft war kühl. Ein Beigeschmack von Rauch schwang in ihr mit. Wahrscheinlich war in einem Forstgehege ein Feuer ausgebrochen, dachte Mondschein düster. Er fühlte sich überall vom Tod umgeben.
Seine bescheidene Wohnung lag fünf Blocks von der Kirche entfernt. Er lebte allein. Altardiener mußten auf die Ehe verzichten, und kurzlebige Beziehungen waren ihnen untersagt. Mondschein empfand die Last des Zölibats noch nicht als zu erdrückend; doch er hatte gehofft, es loswerden zu können, sobald er nach Santa Fe geschickt worden war. Man erzählte sich von wunderschönen, zu allem bereiten jungen Altardienerinnen in Santa Fe. Ganz sicher würde dort das gesamte Zuchtprogramm nicht nur mit künstlicher Besamung durchgeführt, hoffte Mondschein.
Aber das war jetzt auch egal. Santa Fe konnte er für sich persönlich abschreiben. Sein aus einem Impuls heraus geborener Brief an Inspektor Kirby hatte alles zunichte gemacht.
Jetzt war er auf ewig an die unteren Ränge der Vorster-Hierarchie gekettet. Nach treuer Pflichterfüllung würde er vielleicht richtig in die Bruderschaft aufgenommen, eine nur unwesentlich andere Robe tragen und sich vielleicht einen Bart wachsen lassen; er würde Andachten leiten und für die Bedürfnisse seiner Gemeinde da sein müssen.
Wunderbar. Die Bruderschaft war die am schnellsten wachsende religiöse Bewegung auf der Erde, und ganz sicher war es eine noble Aufgabe, in dieser Gemeinschaft zu arbeiten. Aber als ein Mensch ohne religiöse Berufung wurde man nicht sehr glücklich damit, einer Kirchengemeinde vorzustehen, und Mondschein fühlte sich absolut nicht berufen. Er hatte danach gestrebt, für sein eigenes Heil zu sorgen, und hatte sich als Altardiener beworben. Jetzt mußte er den Irrtum erkennen, der in dieser Ambition steckte.
Es war aus mit ihm, Mondschein war nun nur noch ein gewöhnlicher Vorster-Bruder. Tausende von Kirchengemeinden erstreckten sich über die ganze Welt. Die Anhängerschar des Blauen Feuers belief sich heutzutage auf etwa fünfhundert Millionen. Nicht schlecht für den Zeitraum von
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