Öffnet den Himmel
die ins Blaue Feuer gezerrt werden konnte? Oder war es wirklich möglich, fragte sich Kirby, daß sie tatsächlich und ernsthaftig daran glaubte, daß ihr Herz und ihre Seele ganz der Bewegung gehörten, daß ihr Glaube daran so fest war, daß die Gefolgschaft von Vorst bis in alle Ewigkeit leben würde, so lange lebte, um mitzubekommen, wie Menschen zu den fernsten Sternen reisten?
Kirby war so schrecklich müde.
Er fragte sich, was die Sicherheitsoffiziere im UN-Sekretariat wohl sagen würden, wenn ein höherer Beamter wie er auf einmal anfangen würde, Vorstersches Gedankengut zu brabbeln.
Er fragte sich auch, ob noch irgend etwas an seiner Karriere zu retten war – nach diesem nächtlichen Fiasko mit dem Marsianer. Was hatte er schon zu verlieren? Er konnte sich eigentlich für einige Zeit ausruhen. Sein Kopf drohte zu zerplatzen. Vielleicht konnte ihm ein Esper in der Halle für eine Zeitlang die vorderen Gehirnlappen massieren. Esper neigten stark dazu, sich den Vorstern zuzuwenden, oder?
Der Ort schien über eine gewisse Anziehungskraft zu verfügen. Er hatte seine Meinungsbildung über Religionen abgeschlossen. Aber reichte das jetzt noch aus, fragte er sich. Vielleicht war es an der Zeit umzudenken, die Maske seiner Abgeschlossenheit herunterzuziehen, an der Zeit herauszufinden, woran es nun eigentlich lag, daß die Massen so eifrig in diese Kirchen strömten. Vielleicht war es aber auch einfach an der Zeit, den Widerstand aufzugeben und sich von der Flut einer neuen Glaubensrichtung hinunterziehen zu lassen. Das Schild über der Tür verkündete:
BRUDERSCHAFT DER IMMANENTEN STRAHLUNG
STRÖMT ALLE HINEIN
IHR, DIE IHR NIEMALS STERBEN SOLLT
HARMONIERT MIT DEM KOSMOS
„Wollen Sie?“ sagte Vanna.
„Jawohl“, knurrte Kirby. „Ich will. Lassen Sie uns mit dem Kosmos harmonieren.“
Sie nahm ihn bei der Hand. Sie traten durch die Tür. Ungefähr ein Dutzend Personen knieten in den Bänken. Vorne stand der Leiter der Halle und entfernte sanft die Verbindungsstreben um den kleinen Reaktor. Ein erstes bläuliches Glühen begann den Raum zu übergießen. Vanna führte Kirby in die letzte Reihe. Er sah zum Altar hin. Das Glühen verstärkte sich und tauchte den Mann mit dem verkniffenen Blick, der vorne stand, in eine merkwürdige Strahlung. Erst grünlich-weiß, dann purpurfarben und schließlich das Blaue Feuer der Vorster.
Opium für das Volk, dachte Kirby. Die abgenutzte Phrase warf ein dümmlich-zynisches Echo durch sein Hirn. Was war denn schon die Nichts-Kammer, wenn nicht das Opium für die Elite? Und die Sniffer-Läden, was waren die denn? Zumindest konzentrierten sie sich hier auf Geist und Seele und nicht auf den Körper. Eine Stunde sollte es ihm schon wert sein, hier zuzuhören, sei’s drum.
„Meine Brüder“, sagte der Mann am Altar mit einer weichen, wie aus weiter Ferne klingenden Stimme. „Wir feiern hier die tief gegründete Einheit. Mann und Frau, Stern und Stein, Baum und Vogel, alles setzt sich aus Atomen zusammen. Und diese Atome enthalten Partikel, die sich mit atemberaubender Geschwindigkeit bewegen. Das sind die Elek*
Sie zeigen uns den Weg zum Frieden, und wie das aussieht, werde ich euch klarmachen. Sie …“
Reynolds Kirby senkte den Kopf. Er konnte es plötzlich nicht mehr ertragen, den glühenden Reaktor anzusehen. Sein Schädel pochte. Ganz entfernt spürte er Vanna neben sich, lächelnd, warm und ganz nahe.
Ich höre zu, dachte Kirby. Mach weiter. Mach es mir klar! Mach es mir klar! Ich will es hören. Gott und das allmächtige Elektron mögen mir helfen – ich will zuhören!
Die Streiter des Lichts
2095
1
Wenn der Altardiener der Dritten Stufe, Christopher Mondschein, eine Schwäche hatte, dann war es sein unbezwingbarer Wunsch, ewig zu leben. Die Sehnsucht nach dem ewigen Leben war ein solch weitverbreiteter menschlicher Zug, daß man das eigentlich nicht tadeln konnte. Aber Altardiener Mondschein übertrieb es in dieser Hinsicht etwas.
„Trotz alledem“, hielt es einer seiner Vorgesetzten für nötig, ihn daran zu erinnern, „arbeitest du hier, um das Wohlergehen anderer sicherzustellen. Und nicht, um hier dein eigenes Nest auszupolstern, Altardiener Mondschein. Habe ich mich verständlich genug ausgedrückt?“
„Sehr verständlich, Bruder“, sagte Mondschein gepreßt. Er war bereit, sich völlig in Scham, Schuldgefühlen und Ärger aufzulösen. „Ich sehe meinen Fehler. Ich bitte um Vergebung.“
„Es
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