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Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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beobachtete sie. Sie waren Mitglieder der Hochkaste, im Gegensatz zum Zollbeamten. Sie bewegten sich in einer arroganten, prahlerischen Gangart, und Martell wußte, daß sie ihn mit ihren Messern abstechen würden, falls er ihnen zu nahe käme.
    Er konnte nur ein leises Gefühl der Verachtung für sie aufbringen. Was waren sie denn schon anderes als blauhäutige Samurais, Grenzgrafen, deren Zeit schon längst vorüber war, kindische, selbsternannte Fürstchen, die in ihrer eigenen Phantasieritterzeit lebten!
    Menschen mit Selbstbewußtsein brauchten nicht mit Messern in der Luft herumzufuchteln, mußten sich nicht mit einem ausgeklügelten Adelskodex umgeben. Wenn man sie also nur noch als unzufriedene, innerlich instabile Heißsporne ansah und nicht als von Geburt an höherstehende Blaublütige, konnte man das Gefühl des Erstarrens unterdrücken, das das Auftreten solcher Herrschaften hervorrief.
    Aber die Angst vor ihnen ließ sich leider nicht völlig sublimieren.
    Denn sie waren beeindruckend, wie sie so über das Hafengelände paradierten. Und nicht nur die vorherrschenden Sitten teilten die Venusier in Hoch- und Niedrigstehende: Es gab auch biologische Unterschiede. Die aus der Hochkaste stammten von denjenigen ab, die als erste auf die Venus gekommen waren, von den Gründerfamilien der Kolonie auf diesem Planeten. Und die Hochstehenden unterschieden sich sowohl körperlich als auch geistig sehr von den Venusiern jüngerer Abstammung. Die ersten genetischen Umwandlungsprozesse waren noch sehr wenig subtil abgelaufen: Man hatte die ersten Kolonisten in wahre Monster transformiert. Mit ihrer Größe von annähernd zwei Metern vierzig, mit ihrer dunkelblauen Haut voller riesiger Poren und mit dem von ihrer Kehle herabhängenden, roten Kiemenlappen waren sie tatsächlich fremdartige Wesen, die nur wenige Hinweise darauf gaben, daß ihre Ur-Urgroßväter von der Erde stammten. Später im Verlauf der Venus-Kolonisierung war es möglich geworden, Menschen auf die Bedingungen des zweiten Planeten vorzubereiten, ohne das menschliche Grundmodell so tiefgreifend zu verändern. Beide Venusierarten vererbten, da sie aus der gleichen Manipulation des Keimplasmas entstanden waren, ihr Aussehen auf den Nachwuchs; beide pflegten den gleichen übertriebenen Stolz und die gleiche Verachtung für die Erde; aus beiden waren nun fremde Arten geworden, sowohl innerlich als auch äußerlich, sowohl geistig als auch körperlich. Aber diejenigen, die ihren Stammbaum auf die am stärksten Umgewandelten zurückführen konnten, hatten jetzt das Sagen auf der Venus. Sie machten aus ihrer Andersartigkeit eine Tugend, und der Planet war ihre Spielwiese.
    Martell beobachtete, wie die Hochstehenden die wartenden Fahrzeuge bestiegen und abfuhren. Kein einziges Taxi blieb übrig. Er sah, wie die zehn marsianischen Passagiere in ein Mietfahrzeug auf der anderen Seite des Hafenverwaltungsgebäudes kletterten. Martell kehrte zu dem Gebäude zurück. Der niedrigstehende Venusier erwartete ihn mit finsteren Blicken.
    Martell sagte: „Wann kann ich ein Taxi bekommen, das mich in die Stadt bringt?“
    „Das können Sie nicht. Die Robotfahrzeuge kommen heute nicht mehr hierher zurück.“
    „Dann möchte ich die marsianische Botschaft anrufen. Von dort wird man mir ein Taxi schicken.“
    „Sind Sie sich da ganz sicher? Warum sollten die sich Ihretwegen Umstände machen?“
    „Vielleicht sollte ich dann besser zu Fuß gehen“, sagte Martell gelassen.
    Der Blick, den der Venusier ihm zuwarf, war allein schon die kommende Anstrengung wert. Der Mann starrte ihn verdutzt und schockiert an. Und sicher lag darin auch Bewunderung, verbunden mit der festen Überzeugung, Martell müsse den Verstand verloren haben.
    Der Vorster verließ das Gebäude. Er lief auf dem schmalen Band der Straße los und ließ die unirdische Atmosphäre tief in seinen umgewandelten Körper eindringen.

 
2
     
     
     
    Es wurde ein einsamer Marsch. Nicht der geringste Hinweis auf Zivilisation durchbrach den Vegetationsgürtel zu beiden Seiten der Straße; auch begegnete er nicht einem einzigen Fahrzeug. Die Bäume, die in ihrer bläulichen Färbung düster und bedrohlich wirkten, ragten am Straßenrand hoch. Ihre messerklingenartigen Blätter glommen im matten, diffusen Licht. Gelegentlich ertönte ein Rascheln aus dem Wald, als breche irgendein großes Tier durch das Unterholz. Aber Martell konnte zwischen den Bäumen nichts entdecken. Er lief immer weiter. Wie viele Meilen

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