Öffnet den Himmel
heran.
Martell wartete so lange ab, wie das nur eben möglich war. Als die Radkanten kaum noch einen Meter entfernt waren, tat der Missionar einen großen Satz nach vorn – und befand sich hinter dem Ungeheuer. Seine irdischen Muskeln hatten ihn in dieser leichteren Schwerkraft sechs Meter hoch springen lassen. Er hatte erwartet, mitten im Sprung aufgeschlitzt zu werden; aber als seine Füße wieder den Boden berührten, war er immer noch heil. Rasch fuhr Martell herum und entdeckte, daß er das Rad wirklich verblüfft hatte. Es war seitlich abgebogen, auf die Stelle zu, wo es ihn erwartet hatte, und war durch seinen Koffer gerollt. Der Koffer war wie von einem Laserstrahl in zwei Teile zerschnitten worden. Martells Habseligkeiten lagen kreuz und quer auf der Straße verstreut. Das Rad hielt ein weiteres Mal inne und rollte dann zu einem erneuten Angriff los.
Was nun? Auf einen Baum steigen? Der nächste war die ersten sechs Meter völlig astfrei. Martell würde sich nicht rechtzeitig genug in Sicherheit bringen können. Alles, was ihm blieb, war, immer wieder von einer Seite der Straße auf die andere zu springen und so zu versuchen, das Ungeheuer nie sein Ziel erfassen zu lassen. Der Missionar wußte, daß er dies nicht mehr allzulange durchhalten konnte. Er würde mit der Zeit ermüden, im Gegensatz zu dem Rad; die Radkanten würden über ihn hinwegrollen, ihn zerschneiden und seine umgewandelten Organe über die ganze Landschaft verstreuen. Das war doch nicht gerecht, dachte Martell, auf solche Weise zu sterben, noch bevor er überhaupt mit seiner hiesigen Arbeit begonnen hatte.
Das Rad kam näher. Martell konnte wieder rechtzeitig ausweichen und hörte, wie das Rad an ihm vorbeizischte. Ob es langsam wütend wurde? Nein, es war bloß ein seelenloses Raubtier, das sich eine Mahlzeit fangen wollte; es jagte eben auf eine Weise, die eine perverse Natur sich ausgedacht hatte. Martell rang nach Luft. Bei der nächsten Attacke …
Plötzlich war der Vorster nicht mehr allein. Ein Junge tauchte auf, rannte aus einem der eingefriedeten Häuser auf der Hügelspitze heraus und trabte einige Meter neben dem Rad her. Dann stand das Untier plötzlich schief da – Martell konnte sich nicht erklären, wie und warum – und kippte hoch: Ein Rad lag auf dem Boden, das andere ragte hoch in die Luft. Wie ein großer Käse stand es dort und blockierte die Straße. Der Junge, der kaum älter als zehn Jahre sein mochte, stand daneben und machte einen selbstzufriedenen Eindruck. Natürlich gehörte er der niedrigen Kaste an. Ein Hochstehender hätte sich kaum die Mühe gemacht, den Vorster retten zu wollen. Martell dachte sich plötzlich, daß auch der Junge wahrscheinlich kein Interesse daran gehabt hatte, ihn zu retten; er kippte sicher nur aus sportlichen Gründen Räder um.
Martell sagte: „Ich muß mich bei dir bedanken, mein Freund. Einen Moment später wäre ich in Streifen geschnitten worden.“
Der Junge gab keine Antwort. Martell trat näher heran, um das umgekippte Rad zu inspizieren. Das obenliegende Rad schlug frustriert kleine Wellen, während es sich bemühte, wieder in die Normallage zu kommen – natürlich ein unmögliches Vorhaben. Martell blickte hinunter und sah die dunkelviolette Blase fast genau im Zentrum des einen Rades sich wellen und sich öffnen.
„Vorsicht!“ rief der Junge, aber es war schon viel zu spät.
Zwei peitschenartige Stränge schossen aus der Blase. Einer wand sich um Martells linken Oberschenkel, der andere um die Hüfte des Jungen. Der Missionar spürte Schmerz aufbrennen, als verfügten die Stränge über Saugnäpfe, aus denen Säure trat. Ein Mund tat sich im Verbindungsgebilde des Wesens auf. Martell entdeckte mahlende, malmende Zähne, die sich in freudiger Erwartung in Bewegung gesetzt hatten.
Aber dies war eine Situation, mit der der Missionar fertig werden konnte. Er hatte das Rollen des Rades nicht anhalten können, weil es sich dort um eine rein mechanische Bewegung gehandelt hatte; aber ganz sicher war in dem Gehirn des Ungeheuers Elektrizität vorhanden, und die Vorster kannten Methoden, den Stromkreislauf eines Gehirns zu verändern. Im Grunde handelte es sich dabei um eine leichte Form von PSI-Fähigkeit, die sich noch unterhalb der Schwelle befand und die jedermann beherrschen konnte, der die damit verbundenen Übungen absolviert hatte. Martell ignorierte den Schmerz, packte den sich immer enger zusammenziehenden Strang mit seiner Rechten und führte die
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