Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
spürte wohl die Macht der Bewegung, der er sein Leben geweiht hatte.
    Am ersten Tag führte Martell lediglich die Rituale der Einweihung durch. Am zweiten, dritten und vierten Tag wartete er voller Hoffnung auf den ersten Niedrigstehenden, der neugierig genug war, die Kirche zu betreten. Aber niemand kam.
    Martell versprach sich wenig davon, Gläubige zu suchen; jetzt noch nicht. Er zog es vor, daß die Konvertierungen freiwillig gewünscht wurden, falls dies möglich war. Die Kirche blieb leer. Am fünften Tag kam der erste Besucher – aber es war nur eine froschartige Kreatur, fünfundzwanzig Zentimeter lang und mit gefährlich aussehenden, kleinen Hörnern auf der Stirn versehen. Tödlich wirkende Stacheln sprossen von den Schultern. Gab es denn auf diesem Planeten keine Lebensform, die ohne Waffen oder Panzerung auskam, fragte sich der Missionar. Er stieß mit dem Fuß nach dem kleinen Ungeheuer. Der Frosch knurrte ihn an und stach mit den Hörnern nach Martells Fuß. Der Vorster konnte den Fuß gerade noch rechtzeitig zurückziehen und einen Stuhl zwischen sich und das Tier schieben. Der Frosch griff das Holz an und trieb das linke Horn einige Zentimeter tief hinein. Martell konnte sich nicht daran erinnern, jemals zuvor von einem Frosch angegriffen worden zu sein. Als das Tier das Horn wieder herauszog, tropfte eine durchsichtige Flüssigkeit das Stuhlbein hinunter und ätzte sich seinen Weg durch das Holz. Beim zweiten Versuch gelang es dem Missionar, das Ungeheuer zur Tür hinauszubefördern, ohne sich dabei Schaden zuzufügen. Ein wundervoller Planet, dachte er.
    Der nächste Tag brachte einen erfreulicheren Besucher: den Jungen Elwhit. Martell erkannte in ihm einen der Jungen, die per Telekinese das Erdreich hinter der Harmonistenkirche transportiert hatten. Elwhit erschien aus dem Nichts heraus und teilte dem Missionar mit: „Du hast Unheilspilze hier.“
    „Ist das schlimm?“
    „Die Pilze töten Menschen; sie essen sie. Tritt nicht in sie hinein. Bist du wirklich ein Kirchenmann?“
    „Ich halte mich jedenfalls dafür.“
    „Bruder Christopher sagt, man könne dir nicht trauen, du seist ein Ketzer. Was ist ein Ketzer?“
    „Ein Ketzer ist jemand, der sich mit der Religion eines anderen nicht einverstanden erklärt“, sagte Martell. „Allerdings halte ich meinerseits eigentlich Bruder Christopher für einen Ketzer. Möchtest du nicht hereinkommen?“
    Der Junge sah sich mit großen Augen um, endlos neugierig und rastlos. Martell hätte ihn gern nach seinen offenkundigen telekinetischen Fähigkeiten gefragt, aber er wußte, daß es im Moment wichtiger war, ihn als Gläubigen zu gewinnen. Zu viele Fragen hätten ihn zum jetzigen Zeitpunkt nur weggetrieben. Geduldig und ausführlich erklärte ihm der Missionar, was die Vorster zu bieten hatten. Es war schwer abzuschätzen, wie der Junge das aufnahm. Konnten abstrakte Konzepte überhaupt von einem zehnjährigen Jungen verstanden werden? Martell schenkte ihm ein Vorst-Buch – die Kinderausgabe. Der Junge versprach wiederzukommen.
    „Paß auf die Unheilspilze auf“, sagte er, bevor er ging.
    Einige Tage vergingen. Dann kehrte der Junge zurück und brachte die Nachricht, Mondschein habe das Vorst-Buch konfisziert. Trotzdem hörte Martell diese Neuigkeit gern, bewies sie doch, daß er Unruhe unter die Harmonisten gebracht hatte. Sollten sie ruhig den Vorster-Unterricht als etwas Verbotenes darstellen – dann würde er sicher alle viertausend Gläubigen von Mondschein gewinnen können.
    Zwei Tage nach Elwhits jüngstem Besuch erschien ein Neuer bei Martell: ein breitgesichtiger Mann in der Harmonistenkleidung. Ohne sich vorzustellen, sagte er: „Sie versuchen, diesen Jungen auf Ihre Seite zu ziehen, Martell. Unterlassen Sie das.“
    „Er kam aus freiem Willen zu mir. Sie können Mondschein sagen …“
    „Das Kind ist bloß neugierig. Aber es wird auch inneren Schaden erleiden, wenn Sie ihm weiterhin erlauben, hierherzukommen. Schicken Sie ihn beim nächsten Mal weg, Martell. Um seinetwillen.“
    „Um seinetwillen werde ich ihn von Ihnen fernhalten“, antwortete der Vorster ganz ruhig. „Und all die anderen, die zu mir stoßen. Ich bin bereit, mit euch um sie zu kämpfen.“
    „Sie werden den Jungen zugrunde richten“, sagte der Harmonist. „Die Auseinandersetzung wird ihn zerreißen. Lassen Sie es gut sein, schicken Sie ihn weg.“
    Martell hatte keinesfalls vor, von dem Jungen abzulassen. Elwhit war sein Keil in die Venus, und er müßte

Weitere Kostenlose Bücher