Öffnet den Himmel
der Vorster mutmaßte, daß sie zwischen neun und vierzehn Jahren alt sein mußten, obwohl sich das nur schwer abschätzen ließ. Sie sahen sich untereinander ähnlich genug, um Brüder sein zu können. Ihre Bewegungen waren geschickt, fast elegant, und ihre blaue Haut glänzte leicht vor Schweiß. Es kam Martell so vor, als sei ihre knochige Körperstruktur noch fremdartiger, als er das angenommen hatte; sie vollbrachten bei der Arbeit unglaubliche Leistungen mit ihren Werkzeugen.
Ganz abrupt warfen sie plötzlich ihre Picken und Schaufeln beiseite und faßten sich gegenseitig an den Händen. Ihre hellen Augen schlossen sich für einen Moment. Martell sah, wie die lose Erde aus der Ausschachtungsgrube hochstieg und sich etwa sechs Meter weiter zu einem hübschen Haufen formierte.
Sie sind Telekineten, dachte Martell völlig überrascht. Sieh sich das mal einer an!
Genau in diesem Moment erschien Bruder Mondschein. „Der Wagen wartet“, sagte er sanft.
4
Als er in die venusische Stadt gelangte, war Martell in Gedanken immer noch bei dem beiläufig ausgeführten Kunststückchen der vier Jungen. Sie hatten einige hundert Kilogramm Erdreich aus einem Loch bewegt – mittels PSI-Fähigkeiten – und es geschickt dorthin gelegt, wo sie es gerade haben wollten.
Telekineten! Martell schauderte vor kaum unterdrückbarer Erregung. Die Esper auf der Erde waren mittlerweile zu einer ansehnlichen Menge angewachsen; aber ihr Fähigkeiten dort lagen hauptsächlich auf dem Gebiet der Telepathie. Telekinese dagegen war so gut wie gar nicht vorhanden. Auch konnte die Entwicklung der Fähigkeiten nicht gesteuert werden. Das Zuchtprogramm, welches sich nun in der vierten oder fünften Generation befand, konnte nur die vorhandenen PSI-Kräfte intensivieren. Einem begabten Esper war es nun möglich, in den Verstand eines Menschen hineinzugreifen und den dortigen Inhalt umzuarrangieren oder gar bis in die tiefsten Geheimnisse des Unterbewußtseins vorzudringen. Es gab auch ein paar, die die Zukunft voraussehen konnten, die auf dem Zeitstrang voraus- und zurückschauen konnten, so als seien alle Zeitstationen für sie an einer Stelle versammelt; aber in der Regel war diese Fähigkeit zum Zeitpunkt ihres Erwachsenwerdens ausgebrannt, und ihre Gene waren dann für das Zuchtprogramm verloren. Telekineten, Menschen also, die physische Gegenstände von einem Ort zum andern bewegen konnten, waren auf der Erde so selten wie Einhörner. Und dort im Hintergarten der Harmonistenkirche auf der Venus hatten sich gleich vier auf einmal befunden!
Erneut wurde Martell von Krämpfen gequält. Schon am ersten Tage mußte er zwei unerwartete Entdeckungen machen: die Anwesenheit der Harmonisten auf der Venus und die Existenz von Telekineten bei den Harmonisten. Seine Missionierung war plötzlich verheerenden neuen Zwängen ausgesetzt. Nun mußte er nicht mehr bloß versuchen, eine dauerhafte Niederlassung auf dieser unfreundlichen Welt einzurichten. Nun sah es ganz so aus, als stünde seine Arbeit in Gefahr, von jenen Häretikern ausgetrickst und überflügelt zu werden, die man auf der Erde auf dem absterbenden Ast wähnte.
Der Wagen, den Mondschein besorgt hatte, setzte Martell vor der marsianischen Botschaft ab; ein kompaktes kleines Gebäude an einem großen Platz, der schon die ganze Stadt auszumachen schien. Die Marsianer waren in erster Linie als diejenigen zu nennen, die Martell zur Venus gebracht hatten. Daher war ein Besuch bei ihrem Botschafter dringend geboten.
Die Marsianer atmeten irdische Luft, und sie zeigten überhaupt kein Interesse daran, sich den venusischen Bedingungen anpassen zu lassen. Sobald Martell das Gebäude betrat, mußte er daher einen Schutzanzug überziehen, der ihn vor der Atmosphäre seiner Geburtswelt schützte.
Der Botschafter, Freier Bürger Nat Weiner, war etwa doppelt so alt wie Martell, vielleicht sogar noch älter – möglicherweise annähernd neunzig. Seine Gestalt zeugte von Kraft, die Schultern waren so breit, daß sie gegen die Hüftpartie und die Beine überproportioniert wirkten.
Weiner sagte: „Da sind Sie ja. Ich hätte wirklich gedacht, Sie besäßen mehr Verstand.“
„Wir sind sehr entschlossene Leute, Freier Bürger Weiner.“
„Das weiß ich. Ich studiere den Fortschritt Ihrer Organisation seit ziemlich langer Zeit.“ Weiners Augen wirkten, als blickten sie in weite Ferne. „Tatsächlich seit mehr als sechzig Jahren. Ich kannte Ihren Koordinator Kirby schon, als er
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