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Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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noch nicht konvertiert hatte. Hat er Ihnen jemals davon erzählt?“
    „Er hat es nie erwähnt“, sagte Martell. Seine Haut kribbelte. Kirby war zwanzig Jahre vor Martells Geburt in die Vorster-Bruderschaft eingetreten. Ein ganzes Jahrhundert zu leben, galt in diesen Tagen nicht als ungewöhnlich, und Vorst selbst befand sich jetzt sicher in seinem zwölften oder dreizehnten Jahrzehnt; aber es ließ einen doch frösteln, sich einen solchen Zeitraum vorzustellen.
    Weiner lächelte. „Ich kam damals auf die Erde, um ein Handelsabkommen abzuschließen, und Kirby war sozusagen meine ‚Anstandsdame’. Er arbeitete zu der Zeit noch bei der UNO. Ich habe ihn viel Schweiß gekostet; damals trank ich noch sehr viel. Eigentlich bin ich der Meinung, daß Kirby diese Nacht wohl nie vergessen wird.“ Sein Blick heftete sich fest auf Martells matte Augen. „Ich möchte, daß Sie dies wissen, Bruder: Ich kann Ihnen keinerlei Schutz vor etwaigen Angriffen gewähren. Mein Zuständigkeitsbereich erstreckt sich nur auf Angehörige marsianischer Nationalität.“
    „Ich verstehe.“
    „Mein Rat an Sie ist der gleiche, den ich Ihnen schon von Anfang an gegeben hätte: Kehren Sie zur Erde zurück, und werden Sie dort nach einem erfüllten Leben alt.“
    „Das kann ich nicht, Freier Bürger Weiner. Ich bin mit einem Auftrag hierhergekommen, den ich erfüllen muß.“
    „Ach, Bestimmung! Wunderbar! Und wo wollen Sie Ihre Kirche bauen?“
    „An der Straße, die zur Stadt führt. Vielleicht etwas näher an die Stadt heran als die Harmonistenkirche.“
    „Und wo wollen Sie bleiben, bis sie fertig ist?“
    „Ich werde im Freien schlafen.“
    „Es gibt auf dieser Welt einen Vogel“, sagte Weiner. „Man nennt ihn hier den Würger. Er ist so groß wie ein Hund, seine Schwingen sehen aus wie altes Leder, und der Schnabel gleicht einem Speer. Ich habe einmal einen solchen Vogel gesehen, wie er aus hundertfünfzig Metern Höhe auf einen Mann hinabfuhr, der sich zu einem Nickerchen in ein Feld gelegt hatte. Der Schnabel spießte ihn am Boden fest.“
    Ungerührt sagte Martell: „Ich habe heute die Begegnung mit einem Rad überlebt. Möglicherweise werde ich auch mit einem Würger fertig. Ich neige ohnehin nicht dazu, überängstlich zu sein.“
    Weiner nickte. „Ich wünsche Ihnen viel Glück“, sagte er.
    Glückwünsche waren eigentlich alles, war Martell vom Botschafter erhalten konnte, aber selbst dafür war er dankbar. Die Marsianer begegneten allem kühl, was von der Erde stammte oder sie anging, die Religionen eingeschlossen. Sie haßten die Erdbewohner nicht im eigentlichen Sinn, wie das die Venusier, gleich welcher Kaste, zu tun schienen; immerhin waren die Marsianer keine umgewandelten Kreaturen, sondern noch sehr irdische Wesen, deren Verhältnis zur Mutterwelt im besten Fall als gespannt zu bezeichnen war. Aber die Marsianer waren rauhe, aggressive Grenzer, die sich nur für sich selbst interessierten. Sie fungierten als Vermittler zwischen Erde und Venus, denn dabei gab es etwas für sie zu verdienen; sie akzeptierten Missionare von der Erde, weil von ihnen keine Bedrohung ausging. Auf ihre Weise waren sie sicher tolerant, aber sie hielten auch Abstand.
    Martell verließ die marsianische Botschaft und machte sich daran, seiner Aufgabe nachzukommen. Er verfügte über Geld und Elan.
    Venusische Arbeitskräfte konnte er nicht auf direktem Wege anheuern; denn für die Einheimischen, selbst für die Niedrigstehenden, wäre es einem Akt der Besudelung gleichgekommen, für einen Erdling zu arbeiten. Doch es bestand die Möglichkeit, Arbeitskräfte durch Weiners Vermittlung in Kommission zu nehmen. Selbstverständlich erhielten die Marsianer für solche Agentendienste ein Honorar.
    Die Arbeiter wurden angeheuert, und eine halbwegs passable Kirche wurde errichtet. Martell stellte seinen Reisereaktor auf den Altar und justierte ihn. Er befand sich allein in der Kirche und stand schweigend da, als das Blaue Feuer flackernd zum Leben erwachte.
    Martell hatte sich das Gefühl der Ehrfurcht bewahrt. Er war zwar ein irdisch orientierter Mensch und kein Mystiker, aber der Anblick der Strahlung, wie sie aus dem durch eine Wasserschicht geschützten Reaktor strömte, erzielte bei ihm die gewünschte Wirkung. Martell fiel auf die Knie und berührte als Zeichen der Verehrung seine Stirn. Er konnte natürlich seine religiösen Gefühle nicht bis zu dem Stadium der Götzenanbetung treiben lassen, wie das die Harmonisten taten, aber er

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