Öffnet den Himmel
sich ihrem Befehl, alles zu schließen, nicht unterwerfen. Doch die brutale Ermordung seines einzigen Anhängers hatte ihm allen Willen genommen.
„Ich werde den Reaktor abstellen“, sagte er dumpf.
„Dann los, worauf warten Sie noch?“
Martell machte sich an die Arbeit. Die beiden Polizisten standen wartend daneben und tauschten befriedigte Blicke aus, als das Blaue Feuer flackernd erstarb. Der Polizist sagte: „Ohne dieses Licht ist es keine richtige Kirche mehr, nicht wahr, Priester?“
„Nein“, antwortete Martell. „Ich denke, ich werde die Kirche auch schließen.“
„Die hat sich ja nicht sehr lange gehalten.“
„Nein.“
Der Polizeichef sagte: „Guck ihn dir an, wie seine Kiemen flattern. Mit allen möglichen Tricks haben sie ihn herausgeputzt, damit er so aussieht wie wir, aber wen kann er damit schon überzeugen? Wir erteilen ihm mal eine Lektion.“
Sie kamen auf ihn zu. Beide waren kräftige, starke Männer. Martell besaß keine Waffen, aber er fürchtete sich nicht. Er wußte sich zu verteidigen. Sie rückten auf ihn zu; alptraumhafte Gestalten, die auf groteske Weise nichtmenschlich wirkten; ihre Augen hell und wie Schlitze geformt, angespannt glitten die inneren Lider auf und nieder; kleine Nasenlöcher pochten, Kiemen zuckten. Martell mußte sich selbst zu dem Gedanken zwingen, daß er das gleiche monsterhafte Aussehen besaß wie sie; er gehörte nun auch zu den Veränderten, war einer der ihren geworden.
„Wir wollen ihm eine Abschiedsparty geben“, sagte der Polizist.
„Sie haben erreicht, was Sie wollten“, sagte Martell. „Ich schließe die Kirche. Müssen Sie jetzt auch noch gegen mich tätlich werden? Wovor haben Sie Angst? Sind Religionen für Sie zu gefährlich?“
Eine Faust krachte in seine Magengrube. Martell schwankte und rang nach Atem. Er zwang sich, die Ruhe zu bewahren. Eine Handkante schlug gegen seinen Hals. Martell griff danach, wehrte sie ab und umfaßte das Handgelenk. Einen kurzen Moment lang wurde elektrische Ladung ausgetauscht, dann fuhr der Polizist zurück und fluchte:
„Paß auf. Er steht unter Strom!“
„Ich will euch nicht weh tun“, sagte Martell sanft. „Laßt mich in Frieden ziehen.“
Ihre Hände fuhren an die Messer. Der Vorster wartete. Dann verebbte langsam die Spannung in der Luft. Die Venusier zogen ab; offensichtlich waren sie jetzt gewillt, die Sache hiermit gut sein zu lassen. Immerhin hatten sie ja ihre eigentliche Aufgabe erfüllt, die Vorster-Mission abzuwürgen. Nun schienen sie offenbar Gewissensbisse zu haben, den erniedrigten Missionar noch weiter zu behelligen.
„Machen Sie, daß Sie aus der Stadt kommen, Erdling“, knurrte der Polizeichef. „Kehren Sie dorthin zurück, wo Sie hingehören. Und kommen Sie ja nicht wieder, um hier Ihre schwachsinnige Religion zu verbreiten. Wir brauchen solchen Murks nicht. Hauen Sie ab!“
5
Die Schwärze einer Venusnacht ließ sich mit keiner anderen vergleichen, dachte Martell. Wie eine Wolldecke umwickelte sie das Himmelsgewölbe. Nicht die Spur eines Sterns, und kein einziges kurzes Aufflackern eines Mondlichtstrahls durchbrach die Dunkelheit am Himmel. Dennoch gab es hin und wieder und ständig unterbrochen Licht: große Raubvögel, die höllisch leuchteten, spalteten in unvorhersehbarer Reihenfolge die Dunkelheit. Martell stand auf der hinteren Veranda der Harmonistenkirche und beobachtete, wie ein solches leuchtendes Tier vorbeisegelte; nicht höher als dreißig Meter flog es, nahe genug bei Martell, damit er die Reihe der gekrümmten Krallen erkennen konnte, die die Spitzen der gebogenen, zurückgeschlagenen Schwingen besetzten.
„Unsere Vögel haben auch noch Zähne“, bemerkte Christopher Mondschein.
„Und Ihre Frösche haben Hörner“, bemerkte Martell. „Warum ist alles auf diesem Planeten so bösartig?“
Mondschein kicherte. „Fragen Sie Darwin, mein Freund. Es hat sich eben so entwickelt. So, dann sind Sie also auch schon unseren Fröschen begegnet? Äußerst tödliche kleine Biester. Und ein Rad haben Sie ja auch gesehen. Wir besitzen hier auch recht ergötzliche Fische und eine vornehmlich fleischfressende Fauna. Aber wir haben keine Insekten. Können Sie sich das vorstellen? Überhaupt keine Langgliederfüßler. Im Meer gibt es natürlich einige recht interessante Exemplare: eine Art Skorpion, der größer ist als ein Mensch, und eine Art Krebs mit unangenehm langen Scheren – aber auf dieser Welt geht ohnehin niemand im Meer
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