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Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Mythen der Harmonisten könnten mich innerlich bewegen, wenn ich schon zu rational dachte, um mit der Vorster-Lehre etwas anfangen zu können?“
    „Also sind Sie ein glatter Zyniker, der den Leuten hier den Unsinn von Heiligen und Heiligenbildchen erzählt. Und Sie tun das bloß, um Ihre eigene Macht zu erhalten. Sie Hausierer in Sachen Seelenbalsam, Sie quacksalbernder Prediger in den Hinterwäldern der Venus …“
    „Nun aber mal halblang“, warnte Mondschein. „Ich erziele Resultate. Und wie ich annehme, können Sie es sich von Noel Vorst höchstpersönlich erklären lassen: Bei uns zählen die Taten, nicht die Wünsche. Möchten Sie vielleicht hier niederknien und etwas beten?“
    „Natürlich nicht.“
    „Dürfte ich dann für Sie beten?“
    „Sie haben mir doch gerade erklärt, daß Sie von Ihrem Glauben nichts halten.“
    Lächelnd sagte Mondschein: „Selbst die Gebete eines Ungläubigen können erhört werden. Wer weiß das schon mit Sicherheit? Nur eines ist hier sicher: Sie werden sterben, Martell. Also werde ich für Sie darum beten, daß Sie durch die reinigende Flamme der hohen Frequenzen gelangen werden.“
    „Verschonen Sie mich damit. Weshalb sind Sie so sicher, daß ich hier sterben werde? Es ist ein Trugschluß anzunehmen, bloß weil alle vorherigen Vorster-Missionare umgebracht worden sind, müßte auch ich hier sterben.“
    „Unsere eigene Position auf der Venus ist schon wacklig genug. Aber Ihre ist unhaltbar. Die Venus will Sie nicht. Soll ich Ihnen die einzige Möglichkeit nennen, wie Sie auf dieser Welt länger als einen Monat überleben werden?“
    „Bitte.“
    „Kommen Sie zu uns. Tauschen Sie diese blaue Robe gegen eine grüne aus. Wir können jeden fähigen Mann gebrauchen, der zu uns kommt.“
    „Werden Sie nicht albern! Glauben Sie wirklich, ich würde so etwas tun?“
    „So unwahrscheinlich ist das gar nicht. Schon viele Leute haben Ihre Bewegung zugunsten der meinen verlassen – mich selbst eingeschlossen.“
    „Da ziehe ich den Märtyrertod vor“, sagte Martell.
    „Und wie sollte das irgend jemandem nützen? Seien Sie doch vernünftig, Bruder. Die Venus ist eine Welt von eigentümlichem Reiz. Würden Sie nicht gerne leben, um etwas davon zu sehen? Kommen Sie zu uns. Die Rituale haben Sie schnell gelernt. Sie werden schon feststellen, daß wir keine Ungeheuer sind, Bruder. Und …“
    „Vielen Dank“, sagte Martell. „Würden Sie mich jetzt entschuldigen?“
    „Ich hatte gehofft, Sie würden unser Gast beim Abendessen sein.“
    „Das wird kaum möglich sein. Ich werde in der marsianischen Botschaft erwartet, falls mir nicht noch mehr einheimische Raubtiere über den Weg laufen.“
    Mondschein schien nicht böse über Martells Ablehnung seiner Einladung zu sein – diese Einladung war ohnehin sicher nicht ernst gemeint gewesen, dachte Martell. Der ältere Mann sagte reserviert: „Erlauben Sie mir wenigstens, Ihnen ein Transportmittel für die Fahrt in die Stadt zur Verfügung zu stellen. Sicherlich wird der Stolz in Ihrer religiösen Unverletzlichkeit Ihnen gestatten, das anzunehmen.“
    Martell lächelte. „Aber mit Freuden. Das wird sicher ein hübscher Bericht an Koordinator Kirby –‚Wie die Häretiker mir das Leben retteten und mich anschließend in die Stadt brachten.’“
    „,Nachdem sie einen Versuch unternahmen, mich vom Glauben abzubringen.’“
    „Sicher. Darf ich jetzt gehen?“
    „Es wird einige Augenblicke dauern, bis ich einen Wagen für Sie habe. Möchten Sie solange draußen warten?“
    Martell verbeugte sich und machte, daß er so rasch wie möglich die Häretikerkirche verließ. Er trat aus dem Gebäude und gelangte in den Garten; eine freie Fläche von etwa fünfzehn Metern im Quadrat, die von schuppigem, gräulich-grünem Gestrüpp begrenzt wurde, dessen mit dicken, schwarzen Blättern versehene Blüten einen beunruhigenden fleischfressenden Eindruck erweckten. Vier venusische Jungen, unter ihnen Martells Lebensretter, waren mit Ausschachtungsarbeiten beschäftigt. Sie benutzten richtige Handwerkzeuge – Picken und Schaufeln –, die bei Martell das unbehagliche Gefühl erwachen ließen, er sei irgendwie ins neunzehnte Jahrhundert zurückversetzt worden. Das protzige Arsenal irdischer Technologie, das so hervorragend und so vertraut war, ließ sich hier nirgendwo ausmachen.
    Die Jungen warfen ihm einen kühlen Blick zu und fuhren dann mit ihrer Arbeit fort. Martell beobachtete sie. Die Jungen sahen schlank und zerbrechlich aus, und

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