Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
schwimmen.“
    „Das kann ich mir denken“, sagte Martell. Ein neuer Leuchtvogel segelte hinab, streifte die Wipfel der Bäume und schoß davon. Auf seinem Kopf stand ein glühendes, fleischiges Organ von der Größe einer Melone hervor und wabbelte auf einem dicken Strang.
    Mondschein sagte: „Sie wollen also jetzt bei uns eintreten?“
    „Das stimmt.“
    „Zum Infiltrieren, Martell? Zum Spionieren?“
    Martells Wangen verfärbten sich. Die Chirurgen hatten ihm die Fähigkeit des Errötens nicht genommen, obwohl die Wangen nun eher dunkelgrau wurden, sobald er sich erregte. „Warum beschuldigen Sie mich?“ fragte er.
    „Warum sonst wollten Sie wohl zu uns kommen? Letzte Woche waren Sie in dieser Frage noch ziemlich hochmütig.“
    „Das war letzte Woche. Jetzt ist meine Kirche geschlossen. Ich sah, wie ein Junge, der mir Vertrauen entgegenbrachte, vor meinen Augen ermordet wurde. Ich habe kein Verlangen, Zeuge weiterer Morde zu werden.“
    „Also geben Sie Ihre Schuld an seinem Tod zu?“
    „Ich gebe zu, daß ich ihm gestattete, sein Leben in Gefahr zu bringen“, sagte Martell.
    „Wir haben Sie gewarnt.“
    „Aber ich konnte mir ja keine Vorstellung von der Grausamkeit der Wesen machen, die mir zu Leibe gerückt sind. Jetzt weiß ich es. Und allein kann ich nicht bleiben. Lassen Sie mich zu Ihnen kommen, Mondschein.“
    „Sie sind zu durchsichtig, Martell. Sie kommen hierher und strotzen vor Verlangen, ein Märtyrer zu werden. Sie geben jetzt zu rasch klein bei. Das sieht doch ein Blinder, daß Sie unsere Bewegung ausspionieren wollen. Übertritte laufen nie so einfach ab. Und Sie sind kein Mensch, der sich leicht beeinflussen läßt. Ich mißtraue Ihnen, Bruder.“
    „Espern Sie in meinen Gedanken?“
    „Ich? Ich verfüge über keinerlei solche Fähigkeiten; nicht die Spur davon. Aber ich habe einen brauchbaren Verstand. Und ich kenne mich auch etwas mit dem Spionieren aus. Sie wollen hier nur herumschnüffeln.“
    Martell beobachtete einen Leuchtvogel, der hoch im dunklen Himmel flog.
    „Sie wollen mich also nicht aufnehmen?“
    „Sie können die Nacht in unserem Schutz verbringen. Aber morgen früh müssen Sie gehen. Tut mir leid, Martell.“
    Keine Überredungskunst konnte die Entscheidung des Harmonisten umstimmen. Martell war davon weder überrascht noch enttäuscht. Der Eintritt bei den Harmonisten war eine allzu zweifelhafte Strategie gewesen, und er hatte ohnehin mehr oder weniger erwartet, daß Mondschein ihn abweisen würde. Wenn er sechs Monate mit seinem Vorhaben gewartet hätte, wäre die Antwort vielleicht anders ausgefallen.
    Er blieb mit seinen Gedanken allein, während die kleine Harmonistengruppe die allabendliche Vespermesse durchführte. Natürlich wurden sie hier nicht „Vespergottesdienste“ genannt, aber Martell konnte sich nicht dagegen wehren, die Häretiker mit viel älteren Religionen zu vergleichen. Drei chirurgisch angepaßte Erdenmenschen versahen in dieser Kirche ihren Dienst. Die Stimmen der beiden untergeordneten Harmonisten vermischten sich mit der von Mondschein in Hymnen, die in ihrer Frömmelei abstoßend wirkten, gleichzeitig aber den Zuhörer unterschwellig bewegten. Sieben niedrigstehende Venusier waren anwesend. Später nahm Martell mit den drei Harmonisten ein Abendessen aus einer unbekannten Fleischsorte und säuerlichem Wein ein. Seine Anwesenheit schien ihre fast selbstgefällig zu nennende Laune nicht zu stören. Einer, Bradlaugh, war schlank und sah zerbrechlich aus; seine Arme waren zu lang, und seine Gesichtszüge waren so grob, daß es schon komisch wirkte. Der andere, Lazarus, war robust und athletisch gebaut, seine Augen aber waren seltsam leer, und die Haut war straff wie bei einem Totenschädel über das breite Gesicht gespannt. Er war derjenige, der Martell in der Vorster-Kirche aufgesucht hatte. Martell vermutete, daß Lazarus ein Esper war. Sein Name erweckte die Neugierde des Vorster.
    „Sind Sie mit dem Lazarus verwandt?“ fragte Martell.
    „Ich bin sein Großneffe. Ich habe ihn aber nie kennengelernt.“
    „Niemand scheint ihm je begegnet zu sein“, sagte Martell. „Oftmals will es mir so scheinen, daß der geschätzte Gründer Ihrer Häresie bloß ein Mythos gewesen ist.“
    Die Gesichter am Tisch wurden hart. Mondschein sagte: „Ich habe einmal jemanden getroffen, der ihn kannte. Man sagt, er sei ein beeindruckender Mann gewesen: groß, ein geborener Führer, von dem eine majestätische Würde ausging.“
    „Wie Vorst“,

Weitere Kostenlose Bücher