Öl!
wirklich, es gibt wieder Krieg, Paul?»
Der andere lachte. «Frag doch deinen famosen Schwager! Der wird es wissen.»
«Aber er würde es mir nicht sagen. Wir sprechen kaum miteinander.»
Paul antwortete, dass Rüstung automatisch zum Krieg führe; die Kapitalisten, die Waffen herstellten, müssten dafür sorgen, dass sie auch benutzt würden, damit sie neue produzieren könnten. Bunny fand die Vorstellung von einem weiteren Krieg zu entsetzlich, um darüber nachzudenken, und Paul erwiderte: «Wenn du nicht darüber nachdenkst, können die Unternehmer ihn ungestört vorbereiten.»
Er saß ein Weilchen nachdenklich da und fuhr dann fort: «Seit ich durch Europa reise, ertappe ich mich immer wieder dabei, dass ich an den Abend denke, als wir beide uns kennenlernten. Erinnerst du dich noch daran, mein Sohn?»
Bunny bejahte, und Paul fuhr fort: «Ich war nicht im Wohnzimmer meiner Tante, ich habe die Nachbarn nicht gesehen, die gekommen waren, um ihre Parzellen zu verpachten, aber ich habe draußen gelauscht und das Gezänk gehört, und wenn ich jetzt durch Europa fahre, sage ich mir: So sieht die Weltdiplomatie aus, wie ein Streit um einen Ölpachtvertrag! Eine Nation hasst die andere, sie schließen Bündnisse und geloben, zusammenzuhalten, doch eh der Abend naht, haben sie einander schon verraten und verkauft, und es gibt keine Lüge, die sie nicht aufgetischt, kein Verbrechen, das sie nicht begangen hätten. Erinnerst du dich an diese Keilerei?»
Wie gut sich Bunny daran erinnerte! Miss Snypp – er kannte ihren Namen nicht, aber ihr Gesicht tauchte vor ihm auf, krebsrot vor Zorn. «Lassen Sie sich gesagt sein: Nie kriegen Sie mich so weit, dass ich meine Unterschrift unter dieses Papier setze, nie im Leben!» Und Mr Hank, der Mann mit dem scharf geschnittenen Gesicht, schrie zurück: «Lassen Sie sich gesagt sein: Sie sind gesetzlich verpflichtet, zu unterschreiben!» Nur dass es in der europäischen Diplomatie kein solches Gesetz gab. Und Pauls Tante, Mrs Groarty, starrte Mr Hank wütend an und ballte die Fäuste, als hätte sie ihn schon an der Kehle: « Sie haben doch immer rumgeblökt von wegen dem Rechtsanspruch der Kleinparzellen! Sie waren dafür, dass alle denselben Anteil kriegen, Sie falsche Schlange!»
Paul sagte: «Diese Menschen waren vor Habgier so blind, dass sie sich die eigene Chance entgehen ließen, nur um die der anderen zunichtezumachen. Du hast mir doch erzählt, dass sie sich den Pachtvertrag mit deinem Vater verscherzt haben. Auf diesem Ölfeld verhielten sich alle so. Kennst du zufällig die Regierungsstatistik zu Prospect Hill? Hier wurde mehr Geld fürs Bohren aufgewandt, als jemals durch Öl rausgeholt wurde!»
«Ja, natürlich», sagte Bunny. «Ich habe Bohrtürme gesehen, deren Arbeitsbühnen sich gegenseitig berührten.»
«Jeder rennt hinter dem Öl her und gibt mehr Geld aus, als er verdient – ist das nicht ein Sinnbild des Kapitalismus? Und dann der Krieg! Du erinnerst dich, wie wir den Radau hörten und zum Fenster rannten; da schlug ein Kerl dem anderen die Nase ein, alle rannten durcheinander und schrien und versuchten, dem Kampf ein Ende zu machen oder mitzukämpfen.»
«Einer rief: ‹Du dreckiger, verlogener, neidischer Saukerl!› Und ein anderer: «Das ist für dich, du feiger Schnösel!»
«Das, mein Sohn, war ein kleiner Ölkrieg. Ein, zwei Jahre später brach der große aus, und wenn dir daran etwas unklar ist, brauchst du dir nur in Erinnerung zu rufen, was bei meiner Tante geschehen ist. Denk daran, sie kämpften um eine Chance, die Ölarbeiter auszubeuten und den Reichtum zu verteilen, den die Ölarbeiter erzeugen würden. In ihrer wahnwitzigen Gier töteten oder verletzten sie dreiundsiebzig Prozent aller Männer, die am Prospect Hill zur Arbeit geschickt wurden – auch das steht in der Regierungsstatistik. Und merkst du, dass genau das im Weltkrieg geschehen ist? Die Arbeiter kämpfen, und die Bankiers kassieren die Wertpapiere!»
6
Es gab so viel zu besprechen! Bunny erzählte die Geschichte von Eli, von der Paul noch nicht einmal gerüchteweise gehört hatte. Er fand sie keineswegs unfasslich, Eli sei doch immer hinter den Frauen her gewesen. Das war einer der Gründe, weswegen sich Paul von den Predigten seines Bruders so abgestoßen fühlte. «Ich hätte nichts dagegen, wenn er eine Freundin hätte», sagte er, «wenn er mir nicht gleichzeitig das Recht auf ein Mädchen verweigern würde. Erst predigt er ein verrücktes Ideal der Askese, und dann
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