Öl!
Festnahme ihres Genossen Pohl Wottkins wüssten? So musste man es aussprechen. Nein, sie wussten nichts davon, würden sich aber bemühen, Genaueres in Erfahrung zu bringen. Bunny sprang in ein Taxi und raste zur Polizeipräfektur, wo er weniger höflich empfangen wurde, als es sonst bei anständig gekleideten jungen Herren üblich war. Über den Amerikaner Pol Wottkins könnten sie keine Informationen herausgeben, wüssten aber gerne Näheres über einen Amerikaner namens Schie Arnoll Rrross fiss, und wie lang dieser noch die Gastfreundschaft der französischen Regierung zu missbrauchen gedenke, indem er Personen, die die öffentliche Sicherheit gefährdeten, Geld zukommen lasse.
Unterdessen wandte sich Bertie in ihrer Verzweiflung an Vee Tracy und flehte sie an, noch ein einziges Mal zu versuchen, Bunny diesen schrecklichen Schlingen zu entreißen. Vee versprach es, aber es sei das letzte Mal. Sie legte auf, drehte sich um und befahl ihrer Zofe, die Koffer zu packen, und als Bunny von der Polizei zurückkam, fand er in seinem Postfach ein Briefchen vor:
«Lieber Bunny, ich habe soeben erfahren, warum ich heute Abend nicht mit Dir in die Oper gehen durfte, sondern zu einer Séance abgeschoben werden sollte. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, wo Du zwischen Deinen roten Freunden und mir wählen musst, und ich werde in einem anderen Hotel wohnen, bis Du Dich entschieden hast. Bitte teile mir Deinen Entschluss brieflich mit. Versuche nicht, mich dort aufzusuchen, ich werde nicht mit Dir reden, solange diese Angelegenheit nicht geregelt ist. Wenn zwischen uns alles zu Ende sein sollte, ziehe ich einen raschen, sauberen Schnitt vor. Ich werde die Demütigung, mit gefährlichen Kriminellen in einen Topf geworfen zu werden, nicht länger hinnehmen, und wenn Du mich nicht genug liebst, um Deine Gefährten zu wechseln, wirst Du mich nie wiedersehen. Nimm Dir Zeit, um darüber nachzudenken, aber nicht zu viel Zeit.
Deine Vee»
Im Grunde brauchte Bunny gar keine Zeit. Schon während er den Brief las, sagte ihm eine innere Stimme, dass er es hatte kommen sehen. Nachdem der erste schmerzhafte Schrecken überstanden war, setzte er sich hin und schrieb:
«Liebe Vee, wir waren sehr glücklich miteinander. Ich habe seit Langem gelitten, weil ich wusste, dass es zu Ende gehen muss. Ich will Deine Zeit nicht vergeuden, indem ich meine Ansichten verteidige; die hab ich nun mal und kann sie nicht aufgeben, ebenso wenig wie Du die Deinen. Ich wünsche Dir alles erdenkliche Glück im Leben und hoffe, Du bist nicht verbittert, denn ich kann es wirklich nicht ändern. Sollte es jemals dazu kommen, dass ich Dir helfen kann, stehe ich zu Deiner Verfügung.
In unverminderter Zuneigung,
Dein Bunny-Häschen»
8
Bunny durfte nicht innehalten, um seinen Kummer zu nähren, sondern musste zu den französischen Kommunisten eilen und ihnen anbieten, die Kosten für einen Anwalt zu übernehmen, um Klage einzureichen und herauszufinden, was mit Paul geschah. Doch eigentlich war dies gar nicht mehr nötig, denn am nächsten Morgen stand die Geschichte in allen Zeitungen: Ein berüchtigter amerikanischer bolschewistischer Agitator sei von den Behörden nach Le Havre eskortiert und an Bord eines Dampfers verfrachtet worden, der noch heute ablegen werde. Die kommunistische Zeitung spöttelte in ihrem Kommentar, dies sei mal ein bolschewistischer Agitator, dem die amerikanische Regierung die Einreise nicht verweigern könne, da sie ihn durch eine Kaution von zwanzigtausend Dollar gezwungen habe, vor Gericht zu erscheinen. Bunny hatte so wenig Vertrauen in die französischen Behörden, dass er Paul vorsichtshalber ein Telegramm mit bezahlter Rückantwort aufs Schiff schickte, und schon nach wenigen Stunden trafen die Worte ein: «Unterwegs ins Paradies» – Pauls verschlüsselte Botschaft!
Drei Tage später traf auch eine Botschaft seiner Liebsten ein – allerdings nicht verschlüsselt, sondern an die ganze Welt gerichtet. Die Zeitungen in Paris und allen anderen Hauptstädten einschließlich denen von Madagaskar, Paraguay, Nowaja Semlja, Tibet und Neuguinea meldeten die Verlobung der amerikanischen Filmschauspielerin Viola Tracy mit dem rumänischen Prinzen Marescu; die Hochzeit werde in der großen Kathedrale von Bukarest stattfinden und Königin Marie persönlich anwesend sein. Die geschäftstüchtige Reklameabteilung von Schmolsky-Superba hatte zeit ihres Bestehens so manches Bravourstück geliefert, aber niemals ein so erfolgreiches wie dieses,
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