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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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weiter und fragte, ob er warten solle, aber Dad verneinte. Was er zu sagen habe, könne er brieflich oder per Telegramm sagen, und es sei ihm sehr recht, wenn Bunny vor Ort wäre und ihm berichtete. Er schloss mit den Worten «Alles Liebe und Gute» – das Letzte, was Dad jemals zu seinem Sohn sagen sollte, einmal abgesehen von Botschaften auf spiritistischem Wege!
    10
    Ein Dampfer trug Bunny aufs Meer hinaus – eines jener schwimmenden Hotels, die dem glichen, das er gerade in Paris verlassen hatte, wie ein Palast ausgestattet mit poliertem Mahagoni, seidenen Vorhängen und Kissen und einer äußerst eleganten Gesellschaft, die vor Juwelen und kostbaren Kleidern nur so funkelte – abends im Speisesaal dürften fünftausend Dollar pro Frauensperson bescheiden geschätzt gewesen sein. Schon bald begannen die Klatschmäuler zu zischeln: «Sein Vater ist der kalifornische Ölboss, er soll ganze Felder da draußen besitzen, aber eins brennt gerade ab, steht in den Zeitungen. Der Ross mit dem Skandal, du weißt schon, er versteckt sich seit fast einem Jahr im Ausland, aber der Sohn kann natürlich zurückkommen. Es heißt, er war einer der Liebhaber von Viola Tracy, aber sie hat mit ihm Schluss gemacht und den rumänischen Prinzen geheiratet. Mach dir seine Enttäuschung zunutze, Liebes!»
    So kam es, dass alle sehr freundlich zu Bunny waren. Viele reizende junge Dinger wollten bis in die frühen Morgenstunden mit ihm tanzen oder auf Deck umherschlendern und sich, falls dies gewünscht wurde, im Dunkeln verlieren. Den ganzen Tag huschten sie um ihn herum, warfen ihm scheue, verführerische Blicke zu und zeigten sich an allem interessiert, was ihn interessierte, sogar an dem Buch, das er las – vorausgesetzt, er sprach darüber und las nicht weiter. Einige behaupteten, sie interessierten sich für den Sozialismus, wüssten aber nicht viel darüber und ließen sich gern belehren. So ging das bis zum zweiten Morgen auf See, als der junge Sozialist ein Telegramm erhielt, das ihn aus der eleganten Gesellschaft hinauskatapultierte:
    «Dein Vater schwer krank – doppelseitige Lungenentzündung – beste ärztliche Versorgung gesichert – halte Dich auf dem Laufenden – in tiefem Mitgefühl und Liebe – Alyse».
    Von nun an wanderte Bunny allein an Deck auf und ab und litt genau die Qualen der Reue, die Vernon Roscoe ihm prophezeit hatte. Ach, bestimmt hätte er liebevoller und geduldiger mit dem guten alten Mann umgehen können! Bestimmt hätte er noch mehr versuchen müssen, ihn zu verstehen und ihm zu helfen! Nun entriss ihm das Schicksal den Vater, täglich um fünf- oder sechshundert Meilen, und konnte ihn jeden Augenblick in eine Ferne jenseits aller Berechnung entführen. Dad hatte es gespürt – Bunny ging im Geiste noch einmal durch, was er gesagt hatte, und merkte, dass er sich dem Gedanken an den Tod gestellt und seinem Sohn nach Kräften letzte Ratschläge erteilt hatte.
    Anfangs nur Gewissensbisse. Aber ganz allmählich kamen die Überlegungen – die uralte Streitfrage, die Bunny innerlich zerrissen hatte. War es menschenmöglich, Dads Stil der Geschäftemacherei fortzusetzen? Konnte eine Zivilisation, die auf Bestechung der Regierung gründete, überdauern? Nein, sagte sich Bunny; aber dann … dann hätte er hartnäckiger und liebevoller versuchen müssen, seinen Vater zum Aufhören zu überreden! Aber in welchem Stadium? Dad hatte die Regierenden gekauft, seit Bunny denken konnte, schon als er ein kleiner Junge war. Alle Ölmänner kauften die Regierung, alle Unternehmer taten es, entweder vor oder nach der Wahl. Und in welchem Alter kann ein Junge zu seinem Vater sagen, «deine Lebensform ist verkehrt, lass mich die Sache in die Hand nehmen»?
    Bunny kamen keine neuen Gedanken zu diesem Thema, ebenso wenig wie zu dem von Vee Tracy. Nur Kummer und schmerzliche Verlassenheit. Das Alte ging fort; immerzu ging es fort – aber wohin? In Augenblicken wie diesem wurde einem schwindlig von dem Geheimnis; man stand am Rand eines Abgrunds und blickte in einen Schlund hinab. Unvorstellbar, dass sein Vater, der so wirklich war und seit so langer Zeit zu seinem Leben gehörte, plötzlich verschwinden und nicht mehr da sein sollte! Zum ersten Mal fragte sich Bunny, ob Alyse etwa recht hatte mit ihren Geistern?
    Am Abend ein weiteres Telegramm.
    «Zustand unverändert – benachrichtige Dich laufend – Mitgefühl und Zuneigung».
    Diese beiden Worte fehlten in keiner Mitteilung, nicht in der vom nächsten Tag, als

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