Öl!
Tod erfahren hatte, hatte er die Wertpapiere in aller Ruhe aus Dads Tresorfach in das seine verlagert, bevor der Erbschaftssteuerbeamte mit seinen Überprüfungen daherkam. Verne sähe so etwas nicht als Diebstahl, sondern als einen Akt des gesunden Menschenverstands – so wie man einer Regierung, die zu dumm war, um ihre Ölreserven der Marine aufzuschließen, diese Reserven wegnehmen musste.
Jetzt wollte Bertie mit dem Partner ihres Vaters vor Gericht streiten, ihn als Zeugen vernehmen lassen und dazu zwingen, seine Geschäfte offenzulegen; Bunny musste sich mit Hilfe der Anwälte mit ihr auseinandersetzen und bekam ihre Wut erst einmal ungebremst ab. Bisher habe Verne darauf geachtet, nichts schriftlich festzuhalten, und bis er als Zeuge aussagen würde, hätte er sich bestimmt eine Geschichte zurechtgezimmert, der sie machtlos gegenüberstünden. Er konnte behaupten, dass Dad ihm die Wertpapiere gegeben hatte, wie sollten sie das widerlegen? Er konnte sagen, dass Dad die Wertpapiere ohne Wissen seines Partners an sich genommen und das Geld an der Börse verloren hatte – wie sollten sie das widerlegen? Selbst wenn sie imstande wären, den Verkauf von Dads Wertpapieren durch Vernes Börsenmakler nachzuweisen, würde ihnen das nichts helfen, denn Verne konnte behaupten, er habe Dad das Geld ausgehändigt oder sei bevollmächtigt worden, es zu investieren und habe es verloren – er konnte sich hundert verschiedene Märchen ausdenken! «Dann müssen wir also nehmen, was dieser Halunke uns übrig lässt!», heulte Bertie, und die Anwälte nickten, so sei es. Da sie selbst prozentual beteiligt wurden, war ihr Ratschlag wohl aufrichtig.
Dann ereignete sich etwas, was die feindselige Stimmung zwischen Bertie und ihrem Bruder noch verstärkte. In dem Lagerhaus, in dem seine Besitztümer verstaut waren, stieß Bunny in einem Atlas, den sein Vater gelegentlich zurate gezogen hatte, auf fünf Kriegsanleihen zu jeweils zehntausend Dollar. Es war Geld, das Dad hatte griffbereit haben wollen – vielleicht um Polizisten zu bestechen, falls er erwischt wurde. Jedenfalls war es da, und Bunny hätte es freigestanden, darin einen Teil der Million zu sehen, die Dad ihm in Paris zu schenken versucht hatte. Aber in seinem Stolz beschloss er, bei dieser Plünderung des Vermögens nicht mitzumachen; er würde die Anleihen abliefern, sie sollten zum Nachlass gezählt werden.
Doch er beging den Fehler, Bertie davon zu erzählen – oh, das gab vielleicht einen Aufstand! Da verschenkte dieser Wahnsinnige fünfundzwanzigtausend Dollar an Alyse und ihre Anwälte! Anstatt stillschweigend mit seiner Schwester zu teilen und den Mund zu halten! Diese Fünfundzwanzigtausend bekamen für Bertie eine größere Bedeutung als all die Millionen, die sich Verne unter den Nagel gerissen hatte; diese Anleihen waren etwas Greifbares – oder beinahe Greifbares –, bis Bunny sie außer Reichweite geschafft und diesen gierigen Geiern geschenkt hatte! Und das jetzt, wo sie beide Geld brauchten, sich bei einem Bankier ihres Vaters etwas leihen mussten und als Sicherheit nur ihre Ansprüche auf das Erbe bieten konnten.
Bertie wütete und tobte, und um es hinter sich zu bringen, reichte Bunny die Anleihen bei der Bank ein. Das sollte ihm Bertie niemals verzeihen. Jedes Mal, wenn sie unter sich waren, nannte sie ihn einen Idioten. Sie wurde ganz krank vor Hass und Wut. Halbe Nächte brütete sie über Zahlen und konnte dann vor Erregung nicht schlafen. Wie alle jungen Damen der Gesellschaft legte sie großen Wert auf frische, faltenlose Haut, doch nun verspielte sie all ihren Liebreiz und wurde blass und abgehärmt. In späteren Jahren musste sie sich bei Schönheitsspezialisten die Mundwinkel anheben und die Haut chemisch behandeln und glätten lassen – nur weil sie jetzt ihre wütende Enttäuschung darüber nicht bezähmen konnte, dass sie statt der erwarteten herrlichen zehn oder fünfzehn Millionen nur armselige ein oder zwei bekam.
5
Rachel hatte in einem kurzen Bericht über Bunnys Rückkehr aus dem Ausland seine Bemerkung zitiert, er gedenke sein Erbteil zum Wohle der Bewegung zu verwenden. Diese Äußerung hatte die Aufmerksamkeit einer klugen jungen Journalistin erregt und zu einem launigen Artikel geführt:
ROTER MILLIONÄR WILL WELT VERBESSERN
Nun zeigte sich, dass es eine Menge Menschen gab, die genaue Vorstellungen davon hatten, wie die Welt zu verbessern sei. Sie alle wollten mit Bunny sprechen und passten ihn im Hotelfoyer ab. Einer
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