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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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was mit ihrem Land werden sollte, aber sein Wort als Chief hatte Gewicht, vor allem bei den Alten. Wie aber stand es um die jungen Männer, die immer noch murrten und neidisch über das Wasser auf die anderen Dörfer schauten? Die Kanu-Patrouillen waren nur eine verzweifelte Maßnahme, und das wurde bald ganz deutlich. Sie erwiesen sich den Ölgesellschaften und den Politikern, die in ihrem Auftrag arbeiteten, als willkommene Ausrede für die Einleitung der nächsten Schritte. Eines Tages entdeckte die Patrouille zwei Ölarbeiter, die Bodenproben in ein Schnellboot luden. Es kam zu einem kurzen Scharmützel, überhaupt nichts Ernstes – der eine Ölarbeiter entkam mit einem blauen Auge, der andere hatte einen gebrochenen Arm – doch am nächsten Tag kamen die Soldaten. Chief Malabo wurde verhaftet, die Arme wurden ihm wie einem gewöhnlichen Kriminellen auf dem Rücken gefesselt, und man klagte ihn der Unterstützung der Rebellen an und der Verschwörung gegen die Bundesregierung sowie der Androhung, ausländische Ölarbeiter zu entführen. Die Liste der Anschuldigungen war lang – aber, so sagte der Rechtsanwalt, wenn sich die Ältesten den Forderungen der Ölgesellschaft beugten und das Land verkauften … Ein Politiker, der sich ihnen als ihr Senator vorstellte, nahm den ganzen Weg von Abuja her auf sich und versicherte ihnen, dass ihre Lage nationale Beachtung fände, dokumentiert wäre und er für sie kämpfen würde, damit ihr Chief unversehrt und bei guter Gesundheit zu ihnen zurückkäme. Zwei Weiße, leitende Angestellte der Ölgesellschaft, befanden sich in seiner Begleitung. Das Dorf jagte sie davon. Andere tauchten auf, aber sie waren ebenfalls allesamt Lügner, arbeiteten für die Ölgesellschaften, versuchten auf verschiedenste Weise, den Widerstand des Dorfes zu brechen. Die Dorfbewohner aber waren nicht zu erschüttern. Wann immer sie Chief Malabo besuchten, befahl er ihnen, nicht einzulenken, sich um ihn keine Sorgen zu machen – und doch sahen sie, wie er mit jedem Tag verfiel. Und dann wollten sie ihn eines Tages wieder besuchen und bekamen gesagt, dass er gestorben war.
    An dieser Stelle hielt Chief Ibiram mit seiner Geschichte inne, weil ihm die Stimme brach. Man übergab ihnen seinen Leichnam, der in eine Raffiamatte und ein weißes Tuch eingewickelt war, und befahl ihnen, ihn fortzuschaffen. Einfach so. In der darauf folgenden Woche, Chief Malabo war noch nicht einmal beerdigt, fielen die Ölgesellschaften ein. Sie kamen mit einer ganzen Armee, fuchtelten mit den Gewehren herum und sahen aus, als meinten sie es ernst. Sie hätten einen Vertrag, sagten sie, Chief Malabo hätte ihn im Gefängnis unterzeichnet, bevor er starb, und ihnen das ganze Land seiner Familie verkauft, und genau dort würden sie anfangen zu bohren, und wer sich ihnen anschließen wollte und sein Land verkaufte, sollte großzügig bezahlt werden, doch je länger sich die Leute weigerten, desto stärker würde der Wert ihres Landes verfallen.
    Zaq rutschte hin und her.
    »Und was ist dann passiert?«
    »Sie verkauften. Einer nach dem anderen. Die Bohrtürme wurden aufgebaut und die Abgasfackeln angezündet, und die Arbeiter kamen und schlugen mitten unter uns ihr Lager auf, und wir sahen, wie sich unser Dorf vor unseren Augen veränderte. Und deshalb beschlossen wir, insgesamt zehn Familien, fortzuziehen. Wir nahmen ihr Geld nicht. Das Geld sollte der Fluch sein, mit dem wir sie belegten, dafür, dass sie uns unser Land weggenommen und unseren Chief umgebracht hatten. Wir zogen fort, Richtung Norden, an fünf verschiedenen Orten haben wir inzwischen gelebt, aber jedes Mal mussten wir weiterziehen. Wir suchen nach einem Ort, an dem wir in Frieden leben können. Der aber ist schwer zu finden. Zu Ihrer Frage, ob wir hier glücklich sind? Ich antworte, wie können wir glücklich sein, wenn wir nur heimatlose Wanderer sind?«

4.
    Als erster entdeckte Tamuno den Hubschrauber. Von der Stelle aus, an der ich stand, konnte ich nichts sehen, aber ich hörte das Dröhnen. Wie Rauch von nassem Kienspan stieg der Dunst vom Wasser und den Mangrovenblättern auf, verschleierte auf Meilen hin Himmel und Luft. Dann war der Hubschrauber plötzlich über uns, eingehüllt in den zügellosen Lärm seines Motors, und der Luftdruck, den sein Rotor erzeugte, teilte den Nebelschleier. Er flog eine Kurve und dann einen Kreis und hing drohend über uns, sein Gewicht scheinbar vom weißen Nebel getragen, und ich erkannte das riesige Logo der

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