Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
Vom Netzwerk:
Ölgesellschaft auf seiner Seite. Ein Beobachter lehnte sich aus einem offenen Fenster, die Augen von einer riesigen Schutzbrille verdeckt; das Maschinengewehr ragte durch die Fensteröffnung.
    »Wir müssen weg. Schnell, wir müssen weg, bitte, bitte.«
    Tamuno wartete nicht auf uns; er drehte sich um und rannte so schnell zum Boot, dass seine knubbeligen Knie aneinander schlugen. Wir folgten ihm, warfen uns unbeholfen in das Boot; ich stieß mir das Knie am Holz und konnte mein linkes Bein einige Minuten lang nicht mehr bewegen. Mit einer Hand hielt ich mir das Knie und mit der anderen klammerte ich mich an die Seitenwand des Boots, während der Junge versuchte, den Motor anzuwerfen. Als das nicht funktionierte, griff er zum Ruder und paddelte verzweifelt los, trieb uns auf das seichte, kabbelige Wasser hinaus. Der Hubschrauber verfolgte uns wie eine teilnahmslose Biene, die uns aus der Ferne beobachtete. Ich rechnete damit, dass der Killer das Feuer eröffnete, aber es geschah nichts. Der Hubschrauber begleitete uns einige Minuten, während wir uns langsam auf das ferne Mangrovendickicht am Horizont zu bewegten, dann verschwand er. Doch bevor unser Erleichterungsseufzer die Lippen noch recht verlassen hatte, tauchten aus eben dem Mangrovendickicht, auf das wir zusteuerten, zwei Schnellboote auf, die massigen Bugpartien auf uns ausgerichtet. In einem Boot hob ein Mann in grüner Öljacke ein Megafon an den Mund:
    »Stoppt und werft Waffen und Ruder weg. Sofort!«
    Schnell und zitternd riss Tamuno die Hände hoch, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war. Wir machten es ebenso. Der Junge warf das Ruder ins Wasser und kroch über den nassen Bootsboden zwischen Zaq und mich, machte sich unsichtbar und lugte über die Bordwand zu den heranrasenden Booten hinüber. Sie umrundeten uns, die Gewehre ständig auf uns gerichtet. Wir konnten die Männer jetzt deutlicher sehen: Es waren Soldaten, drei in jedem Boot, alle bewaffnet. Die Namen der Boote standen auf den Flanken in blauen Kursivbuchstaben auf schmutzig weißen Untergrund gedruckt: Das eine hieß
Mami Wata 1
, das andere
Mami Wata 2
. Sie umkreisten uns weiter langsam, kamen nahe genug heran, um in unser Boot sehen zu können. Der Mann mit dem Megafon sagte wieder etwas, seine metallische Stimme klang unpersönlich und drohend durch die plötzlich kalte Luft:
    »Ihr werdet tun, was ich sage. Wenn ihr versucht zu fliehen oder euch auf irgendeine Art widersetzt, werdet ihr erschossen. Springt aus eurem Boot und schwimmt zu unseren herüber. Wenn ihr nicht schwimmen könnt, dann haltet euch an dem Seil fest, das wir euch zuwerfen, und ihr werdet herübergezogen. Lasst alle Sachen in eurem Boot.«
    Ich machte den Anfang, warf mich in das kalte Wasser und griff blindlings nach dem Seil, dann folgte der Alte, anschließend der Junge, und schließlich war Zaq an der Reihe. Statt ins Wasser zu springen, beugte er sich schwer über die Bordwand des schwankenden Boots und versuchte, das Seil zu fassen, doch da es nichts gab, das sein Gewicht ausgleichen konnte, kenterte unser Boot. Zaq ging unter. Hilflos musste ich ansehen, wie meine Umhängetasche mit dem Fotoapparat und meinem Notebook und all meinen persönlichen Sachen einen Augenblick an der Wasseroberfläche trieb, bevor sie schließlich versank. Ich stand auf und wollte danach langen, wurde aber von einem Gewehrlauf in meiner Seite gezwungen, mich wieder hinzusetzen. Keiner machte Anstalten, Zaq zu retten. Es dauerte eine Ewigkeit, bis er auftauchte, Wasser spuckte und sich an das gekenterte Boot klammerte, bis er schließlich irgendwie das Seil zu fassen bekam und von zwei Soldaten an Bord gezogen wurde. Der eine beugte sich vor und feuerte lässig eine Salve auf das gekenterte Boot. Wir sahen zu, wie es langsam unterging. Ich wandte mich von dem Entsetzen ab, das dem alten Mann ins Gesicht geschrieben stand, als er sein Boot in einem Meer von Luftblasen untergehen sah, und auch wenn er den Mund öffnete, um etwas zu sagen, die Hand hob, wie ein kleiner Junge im Klassenzimmer, kam doch kein Laut über seine Lippen. Als das Boot schließlich verschwunden war, sackte er zusammen. Ich war im selben Boot wie Tamuno, Zaq und Michael saßen im anderen. Wir hockten nebeneinander auf einer Bank, den Soldaten gegenüber, die uns durch ihre Sonnenbrillen schroff anstarrten, alle, außer dem Mann mit dem Megafon. Er trug die Streifen eines Sergeants auf dem Ärmel, stand ein wenig vor den anderen und sah uns ruhig an, auf eine

Weitere Kostenlose Bücher