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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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morgen wissen lassen würde, was nicht stimmte. Ich hockte neben Zaq auf einem Holzstuhl, und das war alles, was ich tun konnte, um die Augen offen zu halten. Ich wollte den Doktor über diesen Ort ausfragen, über den Major, der hier das Kommando zu führen schien, aber der Mund blieb mir schwer und trocken, sodass ich stattdessen meine Gedanken schweifen ließ, zurück bis zu jenem Tag im Büro, an dem ich die Hand gehoben und mich freiwillig zu diesem Einsatz gemeldet hatte.
    ***
    Die Einladung – mit schwarzer Tinte auf einen fünfundzwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter messenden Zettel geschrieben – an interessierte und erfahrene Reporter adressiert, rauszufahren und die entführte Britin zu interviewen, hing zwei Tage am Anschlagbrett neben der Tür zum Büro meines Chefs, ohne dass sich jemand meldete. Deshalb wollte er sie abnehmen. Doch zuvor musste er noch eine Rede loswerden. Dan Itega, der Chefredakteur, ein Mann in den Fünfzigern, der mich aus irgendeinem Grund von Anfang an nicht leiden konnte, hielt gern Reden.
    Der
Reporter
war die drittgrößte Tageszeitung in Port Harcourt, mit unzähligen erfahrenen Journalisten besetzt, und normalerweise wäre so ein wichtiger Auftrag nicht bei mir gelandet: Ich war bloß Jungreporter, und technisch gesehen nicht einmal mehr das, weil mich der Redakteur ohne weitere Umstände zur Fototruppe versetzt hatte. Vor zwei Wochen aber hatte das Schicksal für mich zu arbeiten begonnen, als zwei Reporter, Max Tekena und Peter Olisah, nach einer ähnlichen Einladung umgebracht worden waren. Olisah arbeitete für die
Voice
, eine Abendzeitung in Port Harcourt – ich war ihm nie begegnet – Tekena aber war mein Kollege. Und er war ein Star.
    Es ist die erste Woche in Port Harcourt nach meinem Abschluss, und ich habe gleich ein Vorstellungsgespräch. Ich stehe vor der Tür zur Redaktion des
Reporter
. Ich habe ein Sakko an, mein einziges, und das Hemd darunter habe ich ordentlich in die Hose gesteckt; links und rechts von mir stehen zwei andere Bewerber. Wir sind die Überlebenden aus einer Liste von über fünfzig, die einen rigorosen Aussonderungsprozess hinter sich haben, und jetzt liegt unser Schicksal in den Händen des Eigentümers, der von allen nur der Vorsitzende genannt wird. Nur einer von uns wird es schaffen. Wir sitzen schon stundenlang im Vorzimmer des Vorsitzenden und schauen jedes Mal hoffnungsvoll auf, wenn sich die Tür zu seinem Büro öffnet. Wir warten bereits den dritten Tag. Redakteure warten mit uns darauf, dass sie vorgelassen werden, um mit ihm die Ausgabe für den nächsten Tag zu besprechen. Ein junger Sekretär sitzt hinter einer Schreibmaschine, die Krawatte modisch um den Kragen gebunden, das Gesicht frisch und aufgeweckt. Ach, wie fähig muss er sein, dass er direkt für den Vorsitzenden arbeitet. Er muss der Beste der Besten sein. Max Tekena sitzt rechts von mir; er ist ein redseliger Junge, ungefähr in meinem Alter und spult gern seinen Lebenslauf herunter – er hat eine Lehre bei drei Zeitungen hinter sich, eine davon in Lagos, und er ist sicher, dass das hier mit einem sicheren Sieg für ihn enden wird. Er ist groß und schlaksig, seine Augen blicken aufgeweckt und rastlos, er hat die Angewohnheit, sich beim Sprechen die Lippen zu lecken, ein geborenes Raubtier. Der andere Bewerber ist ein Mädchen: Still ist sie, doch offensichtlich fähiger als ich. Sie hat ihren eigenen Blog und kann über komplizierte Modetrends reden und weiß, wer mit wem in Nollywood und Hollywood ins Bett geht. Die Liste ihrer Quellen und Kontakte und Informanten ist endlos, und sie ist das hübscheste Ding, das ich je gesehen habe. Wie soll der Vorsitzende ihr widerstehen? Alle drei umklammern wir mit verschwitzten Händen unsere Aktenmappen. In meiner stecken ein paar Aufsätze, die ich an der Journalismus-Schule geschrieben habe, sowie mein einziges Ruhmesblatt: mein Onlineartikel über das Ölfeuer, das meine kleine Stadt vernichtet hat, dabei ein Viertel der Bevölkerung tötete oder verstümmelte, einschließlich meiner Schwester und des Vaters meines besten Freundes. Mein Herz rast, und aus irgendeinem Grund bin ich davon überzeugt, dass ich die Stelle niemals bekommen werde. Trotzdem bin ich fest entschlossen, es gegen die beiden anderen durchzustehen. Es auszusitzen. Drei Tage sind wir hierher ins Büro gekommen, ohne ihn zu Gesicht zu bekommen, und ich habe das Gefühl, als testete er, wer von uns als erster aufgäbe. Geduld gehört schließlich

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