Öl auf Wasser - Roman
hinten.«
»Wir haben Glück, dass wir noch leben.«
»Sie schicken das Boot wieder her.«
Zaqs hoffnungsvolle Bemerkung inmitten der wachsenden Hysterie zwang uns alle dazu ihn anzusehen, als wüsste er etwas, von dem wir keine Ahnung hatten, aber er hatte sich bereits abgewandt und schaute aufs Wasser hinaus. Wir drehten uns wieder um und stritten weiter.
Die Rebellen mussten sich nach dem Überraschungsangriff der Soldaten im Busch versteckt und uns die ganze Zeit beobachtet und den rechten Moment abgewartet haben, sich zu zeigen. Keine zehn Minuten waren wir ihre Geiseln gewesen. Sie schienen mehr daran interessiert, von dieser Insel wegzukommen, als uns etwas anzutun. Nur einer hatte mit uns gesprochen. Er war der Kleinste und auch der Dickste und hatte etwas am Arm, das wie eine Schusswunde aussah.
»Wir schicken Boot zurück, ihr Journalisten. Müsst nur bisschen warten.«
Als Nkem vortrat, um ihn etwas zu fragen, machte er eine abschreckende Bewegung mit dem Gewehr, die Nkem unverzüglich zurücktreten ließ.
»Wir sind Journalisten, und wir sind auf eurer Seite. Wir wollen die Wahrheit berichten, wie eure Männer heute ohne jeden Grund brutal abgeschlachtet wurden. Wir wollen euch nur ein paar Fragen stellen.«
»Keine Fragen. Einfach auf Boot warten.«
»Aber …«
»Du da, für welche Zeitung arbeitest du?
»Ich bin beim
Globe
…«
»Darfst auch sprechen.«
»Wir wollen nur etwas über die Geisel wissen …«
Die Männer im Boot berieten sich kurz, und dann wandte sich der Kleine, der ihr Sprecher zu sein schien, wieder an uns.
»Die Frau in Ordnung.«
Und dann verschwanden sie mit unserem Boot.
Zaq drehte den Verschluss von seinem Flachmann ab, setzte ihn an den Mund und trank ihn aus. Er drehte sich zu unserem Führer um.
»Schalt das Funkgerät ein. Verlang ein anderes Boot.«
Der Mann schaute einfältig drein. Er wischte sich den Schweiß vom Gesicht.
»Ich … das geht nicht. Sie haben mir das Funkgerät weggenommen. Und mein Gewehr.«
Er sah niedergeschlagen aus, verschreckt, und schien bereit, sich an den erstbesten Vorschlag zu halten, den die Journalisten machten. Wir saßen auf bemoosten Baumstubben und sahen zu, wie sich die Wellen hoben und senkten. Es war fast fünf Uhr nachmittags, und die Dunkelheit dehnte sich schnell aus, und während wir warteten, wälzten wir den Gedanken, ob das Boot zurückkommen würde oder nicht.
Als ich es leid war, den Journalisten aus Lagos dabei zuzusehen, wie sie wieder und wieder versuchten, jemanden über ihre toten Mobiltelefone anzurufen, beschloss ich, am Strand ein wenig spazieren zu gehen. Es war jetzt kurz vor sieben, und einige Männer, die sich bereits damit abgefunden hatten, die Nacht hier zu verbringen, waren auf der Suche nach irgendeinem Obdach bereits ins Inselinnere gezogen. Ich blieb am Ufer, nicht weil ich davon überzeugt gewesen wäre, dass das Boot zurückkehrte, sondern weil ich wusste, dass es hier weniger Mücken und Moskitos gab, weil die Meeresbrise sie vertrieb, obwohl man auch so noch mehr als zwei Hände brauchte, um sich ihrer zu erwehren. Sie fanden einfach jede nackte Stelle, auf den Armen, am Hals, und vor allem im Gesicht.
»Gibt’s hier in der Nähe größere Inseln?«
Zaq lehnte an einer Palme, die leere Whiskyflasche in der Hand. Die Worte kamen langsam, er klang müde. Er rülpste.
»Ja, viele. Überall auf den Inseln gibt es Fischerdörfer, und wenn es hell wird, wird auf diesem Wasser reger Bootsverkehr herrschen.«
»Wir müssen also lediglich die Nacht überleben.«
»Genau.«
Ich ließ ihn am Baum stehen; er starrte ins Wasser, nachdem er die leere Flasche hineingeworfen hatte. Ich ging mit den Fröschen und den Grashüpfern und den Krabben spazieren. Die Stimmen der Nachtvögel erhoben sich über das Geräusch des Wassers. Sie sangen abwechselnd der Welt ihr Schlaflied. Ich lief vor mich hin, fühlte, wie das Wasser gegen meine Hosen schlug und die Krabben mir eilends mit überraschend geschwinden Seitschritten den Weg frei machten und mich gleichzeitig immer im Auge behielten. Ich ging, um den Hunger zu unterdrücken und die Schmerzen in meinen Beinen und die aufsteigende Kälte, die mir in die Haut zwickte, und als ich des Laufens müde war, kehrte ich um. Die Männer hatten, von der sinnlosen Suche nach einem Unterschlupf zurück, ein Feuer angezündet; die Flamme glomm schwach, flackerte im feuchten Wind, der von der See hereinwehte, und erhellte einen Augenblick lang ihre bangen
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