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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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des Bootes musste mich eingeschläfert haben, denn ich wurde plötzlich wach, als sich das Boot aufbäumte, dann aufsetzte und hielt. Wir waren an Land. Ich kniete mich hin und sah auf das Land. Bäume, und in der Ferne etwas, das wie dämmriges Lichterflackern aus Häusern oder von Autos aussah. Die anderen sprangen bereits aus dem Boot, doch als wir schon losmarschieren wollten, hielt uns die Stimme des Bootsführers zurück.
    »Hier kurz warten für Oga da. Er sagt, ihm nich gut.«
    Es war Zaq. Er hing über der Bootswand, spie ins Wasser und sank dann in das Bootsinnere zurück. Alle eilten wir hinüber und sahen ihn in einer Pfütze auf dem Boden des Bootes liegen, das schweißüberströmte Gesicht von der Laterne des Bootsführers beleuchtet, die Augen unstet auf uns gerichtet, schwer durch den Mund atmend. Ich langte hinab und versuchte ihn hoch zu ziehen, doch schafften wir es erst zu dritt, ihn aus dem Boot zu holen. Wir stolperten dem trockenen Land entgegen, wo wir ihn absetzten und um ihn herum standen und nicht wussten, was wir als nächstes tun sollten. Die Reporter aus Lagos hielten sich abseits, warfen einen Blick auf ihre Uhren, erpicht darauf, fortzukommen. Sie versuchten gar nicht erst zu helfen. Ich kniete neben dem Bootsführer, der versuchte, mit dem zusammengekrümmten Zaq zu reden. Als ich seinen Arm berührte, der so heiß war, dass der Schweiß in Perlen darauf stand, sah er zu mir auf und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
    »Wenn ich einen Drink kriegen könnte, würde es mir gleich besser gehen. Ich bin einfach nur müde. Ich brauch bloß einen Drink. Nur einen Tropfen.«
    Seine Stimme klang heiser in meinen Ohren, geflüstert. Ich war traurig und enttäuscht von diesem einstmals so großen Reporter, dessen Erfolg und Einsatz in gewissem Maße meine Karriere und zweifellos auch die vieler anderer angefeuert hatte. Ich wandte mich von dem flehenden, entschuldigenden Grinsen auf seinem verschwitzten Gesicht ab, und auf einmal war ich wütend. Es war eine hilflose, ziellose Wut, und sie verging fast so schnell wie sie gekommen war.
    »Wenn wir ein Hotel finden, kannst du etwas bekommen, glaube ich. Wir müssen aber sofort los. Es ist schon spät.«
    Ich trat zurück. Er kam torkelnd auf die Beine, und der Bootsführer ging zu ihm und hielt ihn am linken Arm.
    »Ist … ist ein Hotel in der Nähe?«
    »Hotel? Nich Hotel nich. Wir zum Schrein.«
    »Zum Schrein?«
    »Ja. Essen im Schrein.«
    »Hast du gehört, was er gesagt hat? Habt ihr eine Ahnung, wohin es geht?«
    Mein Ruf drang zu den anderen hinüber, die uns bereits ein gutes Stück voraus waren, von den fernen Lichtern wie Kamele angezogen, die das Wasser spüren, und sie blieben stehen und warteten auf uns.
    »Gehen wir etwa nicht in ein Hotel? Hier muss doch irgendwo ein Hotel sein.«
    »Der Mann hat gesagt, dass wir zu einem Schrein gehen …«
    »Einem Schrein? Was für einem Schrein?«
    Ich konnte ihnen keine Antwort bieten, und so drängte ich den erschreckten Bootsführer und seinen Sohn weiter zu gehen. Der Mann schien ziemlich harmlos, und wenn er sagte, dass wir zu einem Schrein gehen sollten, dann war ich entschlossen, ihm zu folgen, zumal, wenn es dort etwas zu essen gab.
    Wir gingen langsam, stützten den schwachen, schweren Zaq zwischen uns. Wir mussten zweimal anhalten, weil er sich, keuchend, nach Luft schnappend, auf den morastigen Boden sinken ließ. Dann zogen wir ihn hoch und gingen wieder los. Es war ein mühsames, beschwerliches Fortkommen, das von der Feuchtigkeit auf dem stickigen, baumgesäumten Pfad noch erschwert wurde, und als wir endlich am Schrein anlangten, der ungefähr einen Viertelkilometer vom Wasser entfernt war, war ich schweißgebadet. Mit einem Mal verschwand die dichte Vegetation, und wir traten auf eine Lichtung, auf der stumme, schweigsame Gestalten in der Dunkelheit hockten und unsere Ankunft beobachteten. Unsere Schritte stockten, und schließlich blieben wir stehen, eine instinktive Reaktion auf die bedrohliche Atmosphäre, die von den unbeweglichen Gestalten vor uns ausging. Mein erster Gedanke war: die Entführer, ein Hinterhalt. Aber warum waren sie so schweigsam und bewegten sich nicht? Der Bootsführer hob seine Laterne, sodass das Licht auf sie fiel.
    »Statuen das. Viele Statuen. Sind vom Schrein.«
    Argwöhnisch gingen wir an den Statuen vorbei, erneut zusammengedrängt wie scheue Hengstfohlen und fortwährend die Köpfe drehend, um die Gestalten im Blick zu behalten,

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