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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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Folter war, wie jene behaupteten, die sie schon hinter sich hatten.
    Heute musste ich da durch. Seit über einer Stunde schon beantwortete ich die Fragen des Vorsitzenden so detailliert, wie es mir nur möglich war, traute mich kaum zu zwinkern oder Atem zu holen, schluckte, ohne zu kauen, kippte schluckweise Wasser hinterher, um nicht am gestampften
Yam
zu ersticken. Jetzt verstand ich, warum einige Kollegen diese Mittagessen »Das (Letzte) Abendmahl« nannten.
    »Sie haben großartige Arbeit geleistet. Tolle Bilder.«
    »Danke, Sir.«
    »Nehmen Sie sich eine Banane.«
    »Danke.«
    »Und erzählen Sie mir von Zaq. Sie waren doch mit ihm zusammen dort?«
    Er wedelte mit der Morgenzeitung, in der mein Artikel stand.
    »Stimmt. Er hat mir sehr geholfen. Er ist immer noch da draußen, auf Irikefe Island. Er sagte, dass er sich ausruhen müsste.«
    »Ich hab ihn gekannt, früher. Wir haben damals für dieselbe Zeitung gearbeitet. Aber das ist lange her.«
    Die Entführung, die in den vergangenen Tagen bereits auf die Innenseiten verbannt worden war, hatte es zurück auf die Titelseiten geschafft, hauptsächlich wegen des brutalen Feuergefechts auf der Insel. Einige Kollegen, Nkem vom
Globe
zum Beispiel, mutmaßten in ihren Berichten, dass Mrs. Floode tot sein könnte, und stützten das mit grellen Fotos von Leichen und brennenden Hütten. Meine Story, die meine Zeitung als Sonderausgabe herausbrachte, hatte größere Aufmerksamkeit als andere Berichte erfahren, vielleicht, weil ich mich in meinem Artikel häufig auf Zaq bezogen und ihn zitiert hatte, und auch, weil ich auf Grund meiner Ausbildung besser als andere Reporter wusste, wie man Bilder effektiv einsetzte. Meine Nahaufnahmen vermittelten doppelt wirksam die schreiende Eindringlichkeit und die Tragödie, die mein Text taktvoll verschwieg. Heute Morgen waren zwei Reporter von Reuters in die Nachrichtenabteilung gekommen, um sich mit mir zu unterhalten, nachdem sie meine Story gelesen hatten.
    Nach dem Essen, das mir immer noch wie ein harter Klumpen irgendwo zwischen Speiseröhre und Magen hing, setzte ich mich in die verlassene Redaktion, um mich von meinem Martyrium zu erholen. Die meisten Reporter drehten ihre Runden und würden erst spät nachmittags wieder eintrudeln, um ihre Artikel für die nächste Ausgabe zu schreiben. Als ich spürte, dass meine Beine nicht mehr unter mir nachgaben, stand ich auf und ging zum Büro des Redakteurs hinüber. Ich fand ihn an seinem Schreibtisch sitzend, den Ventilator in der Ecke direkt auf das Gesicht gerichtet, einen Zahnstocher im Mundwinkel, den Schlips gelockert, sodass sein wurstiger Hals zu sehen war.
    »Aahh, hier kommt unser Starreporter. Wann willst du dich mit dem Ehemann befassen?«
    »Jetzt. Er erwartet mich. Ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen.«
    »Na dann los. Und dass du mir ein gutes Interview bringst.«
    »Naja, ein Interview hat er abgelehnt bis alles vorbei ist.«
    »Wenn’s vorbei ist, ist’s vorbei, oder? Egal, hol aus ihm raus, was geht, und dann kannst du den Rest des Tags frei machen. Und auch den nächsten. Wenn du dann wieder da bist, finden wir einen hübsch aufregenden Auftrag für dich.«
    Er stand auf und schüttelte mir die Hand. Seit ich von Irikefe zurück war, hatte sich sein Verhalten mir gegenüber deutlich geändert.
    »Der Vorsitzende ist äußerst zufrieden mit dir. Er glaubt, dass aus dir ein guter Reporter werden kann. Wir werden sehen.«
    Das Haus der Floodes gehörte zu den vielen Kolonialstilgebäuden im Hafengebiet von Port Harcourt, in dem die meisten wohlhabenden ausländischen Angestellten der Ölfirmen wohnten. Es war hinter einer hohen, mit Stacheldraht gekrönten, Mauer verborgen, und ich musste durch zwei Tore hindurch und an ungefähr einem Dutzend Sicherheitsleuten vorbei, die sich mit Sprechfunkgeräten verständigten.
    Ein uniformierter Wachmann führte mich. Wir gingen über einen weitläufigen Rasen zur Eingangstür, die der Wachmann ohne zu klingeln aufstieß. Ich folgte ihm in ein geräumiges Wohnzimmer, das von getönten Wandleuchten schwach erhellt wurde; in der Mitte der Zimmerdecke drehte sich schwerfällig ein ornamentgeschmückter Ventilator. Wir traten durch eine Hintertür, die in den Patio führte, in dem Floode in einem Korbstuhl wartete, einen Cocktail vor sich auf dem Glastisch. Er entließ den Wachmann mit einer Handbewegung, dann erhob er sich und schüttelte mir die Hand.
    »Danke, dass Sie gekommen sind, Mr. …«
    »Rufus.«
    »Das ist ein

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