Öl auf Wasser - Roman
glaube nicht, dass ich Zaq vor seiner Rückkehr sehe.«
Darüber dachte er kurz nach. Sein Mund bewegte sich mechanisch wie bei einem malmenden Wiederkäuer, seine Augen sahen mich unglücklich an.
»Aber Sie haben doch sicher eine Möglichkeit, ihn zu erreichen, oder? Über Telefon?«
»Nein, auf der Insel geht kein Telefon.«
»In Ordnung. Aber dann hat er Ihnen doch sicher seinen Artikel für mich mitgegeben? Nein? Und was soll ich morgen bringen? Was ist denn das für ein Reporter? Ah, der glaubt immer noch, er wäre Starreporter in Lagos. Dabei kann er sich glücklich schätzen, dass er für mich arbeiten darf.«
»Ich kann Ihnen etwas Material schicken – ich habe ein paar Fotos, und ein paar Zeilen Text gibt es auch.«
»Dann sehen Sie zu, dass Sie das so schnell wie möglich machen. Ich hab schließlich irgendwann Redaktionsschluss. Im Gegensatz zu einigen anderen Leuten kenne ich meine Verpflichtungen.«
Zaq tat mir leid. Er tat mir leid, weil er für einen derart stumpfsinnigen, mürrischen Arbeitgeber arbeiten musste, und ich begriff erst in diesem Augenblick, wie tief Zaq gefallen war. Als ich aufstehen wollte um zu gehen, bedeutete er mir, mich wieder zu setzen.
»Wo wollen Sie hin? Setzen Sie sich. Ich will Ihnen was über Ihren Freund erzählen.«
Er schob seine Essensdose zur Seite und wischte sich mit einem Kleenex die Hände ab. Ohne dass es viel nutzte. Er beugte sich vor und bedeutete mir noch einmal, sitzen zu bleiben. Herrisch. Ungeduldig.
»Er war einmal der beste von allen.«
»Ja, ich weiß. Er war …«
»Nein. Sie wissen überhaupt nichts. Passen Sie auf. Hat er Ihnen gesagt, dass wir damals als Frischlinge zusammen bei der
Daily Times
waren? Oh, hat er also nicht? Dann hat er Ihnen aber bestimmt erzählt, dass wir uns ein Jahr lang eine Wohnung in Surulere geteilt haben? Ich war damals zweiundzwanzig, er einundzwanzig. Ach, ich kann uns direkt vor mir sehen. Grün, wie wir waren, noch feucht hinter den Ohren. So was wie eine Journalistenschule gab es damals natürlich noch nicht, man wurstelte sich einfach in die Dinge rein. Ich wette, dass Sie eine Journalistenschule besucht haben, was? Die sind sinnlos. Dort lernt man nichts. Man muss einfach die Augen offen halten, die richtigen Kontakte knüpfen und dreist sein. Egal, jedenfalls gab es für uns keine Journalistenschule. Man fängt als Jungreporter an, und wenn man überlebt, wird man zum König des Dschungels, zumindest aber jemand so ziemlich am oberen Ende der Nahrungskette.«
Beke nahm einen Schluck aus einer Wasserflasche, rülpste und stöberte mit der Zunge zwischen den Zähnen nach hängengebliebenen Fleischfasern. Er wischte sich den Schweiß vom kahlen Schädel.
»Also: Zaq und ich wurden der Nachrichtenredaktion zugeteilt. Damals gab es noch keine Spezialisierungen, es scherte sich keiner darum, ob du vielleicht die Kultur machen wolltest oder Wirtschaft oder Nachrichten; der Chefredakteur schickte dich einfach dorthin, wo er dich haben wollte. Wir kamen also zu den Nachrichten, aber Zaq wollte etwas anderes. Er war rastlos, steckte voller Ideen. Nachts schlief er nicht. Er wollte Sonderberichte über Alltagsdinge, über das normale Leben schreiben. Damals, in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern, war aber eine andere Zeit. War alles ganz anders als heute. Die Leute kauften Zeitungen nur wegen der Nachrichten, wegen der Fakten; zumindest sahen das die Chefredakteure so. Und Zaq war nicht der Mann, der einfach rumsaß und wartete, dass sich die Dinge änderten. Er kündigte. Einfach so. Da war sogar ich überrascht. Ich kann mich noch ganz genau an den Tag erinnern: Es war 1982, an einem Montag, was normalerweise der geschäftigste Tag ist, die Nachrichtenredaktion war voll, die meisten hatten ihre Runde schon hinter sich, und wir sputeten uns, damit unsere Artikel schnell zu den Korrektoren kamen. Der Redakteur saß in einer Ecke, wedelte mit einem Stück Papier herum und wütete gegen einen Reporter, und dann sah ich Zaq von seinem Schreibtisch aufstehen und auf ihn zugehen und ihn mit seinem Vornamen ansprechen. Wer wagte es, den Redakteur mit Vornamen anzureden? Das war unerhört, und das vor den versammelten Jungreportern und Praktikanten. Er ging zu ihm hin und sagte: Tunde, ich kündige! Und dann ging er. Damals brauchte man keine Entlassungspapiere; die Reporter kamen und gingen einfach so.
Ach, ist auch egal. Er kündigte. Während ich auf Arbeit war, zog er auch aus unserer Wohnung aus, ohne
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