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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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vor dem Eingang stand, als wachte sie darüber, eine einzelne Statue. Ich konnte Männer und Frauen in weißen Gewändern sehen, die sich unweit der Statue versammelten und darauf warteten, zum Abendgottesdienst hineinzugehen. Das eigentliche Dorf befand sich ungefähr eine Meile entfernt auf der anderen Seite der Insel und wurde durch eine große Pufferzone aus hohen Laubbäumen vom Schrein getrennt. Alle Dorfbewohner waren durch die Religion mit dem Schrein verbunden, und der Oberpriester besaß Autorität über die gesamte Siedlung. Die Dorfbewohner waren zumeist Fischer, gewannen ihren Lebensunterhalt aus dem Fluss, der sein Wasser ins Meer ergoss und stromaufwärts in ein Hinterland aus Marschen und Wäldern und Sümpfen führte.
    Als ich Zaq zu der Hütte geleitete, die wir teilen sollten, kamen wir an der Andachtshütte vorbei, und einige Männer und Frauen, die nun vor dem Eingang knieten und darauf warteten, eintreten zu dürfen, schauten kurz zu uns herüber. Ich fragte mich träge, welches religiöse Ritual sich da drinnen vollzog, ob der hoch aufgeschossene Priester auf einem Stuhl vor dem Schrein säße und Abendmahlsoblaten austeilte, oder was deren Gegenstück hier auch immer war, oder ob sie verrückte, orgiastische Tänze aufführten und in Trancezustände fielen – wobei ich Letzteres bezweifelte. Die hier sahen nicht wie solche Tanz-und-Trance-Typen aus – sie machten einen bemerkenswert gesetzten und feierlichen Eindruck.
    Unsere neue Hütte war ebenso geräumig wie die erste, obwohl sie von außen täuschend schmal aussah. Man hatte für mich bereits eine Matte ausgebreitet, und ihr gegenüber lag Zaqs mit seinen Slippern davor und dem weißen Gewand des Glaubensanhängers an einem Nagel darüber. Er bemerkte meinen Blick auf das Gewand und schüttelte den Kopf.
    »Ich brauchte was zum Wechseln. Sie waren so freundlich, meine Sachen zu waschen.«
    »Was ist das für eine Religion?«
    »Keine Ahnung. Im Augenblick interessiert mich einzig und allein ihre Verbindung zu den Rebellen.«
    Ein Laken war über meine Matte gebreitet, und am Kopfende lag ein Kissen. Ich zog die Schuhe aus und setzte mich. Von einem Wassertopf an der Wand abgesehen und einer Lampe, die von einem Haken über dem Topf hing, war die Hütte leer. Zaq legte sich auf seine Matte, seine Augen glänzten, auf seiner Stirn schimmerte der Schweiß wie ein Ölfilm. Die Whiskyflasche war nur noch halbvoll.
    »Und was gibt’s Neues in der Stadt?«
    Ich unterrichtete ihn von meinem Treffen mit Floode und gab ihm sein Geld. Er öffnete den Umschlag und ließ sich das Geld in den Schoß fallen, dann sah er mich an und schüttelte, betrunken lachend, den Kopf.
    »Das nenne ich mal guten Journalismus.«
    Ich erzählte ihm von meinem Besuch bei seinem Chefredakteur, wie ich spät nachmittags in das Büro des
Star
gegangen war, davon überzeugt, dass kein Chefredakteur je nach Hause ging, bevor er die Ausgabe des nächsten Tages im Kasten hatte. Das Büro befand sich neben einer Müllhalde und gegenüber, auf der anderen Straßenseite, war eine Polizeikaserne. Stand man im düsteren und armseligen Innern des Büros, konnte man draußen die Signaltrompete hören, die die Männer auf den Exerzierplatz rief, und die Müllhalde riechen. Beke Johnson überraschte ich an seinem Schreibtisch sitzend, wie er gerade etwas aus einer Essensdose aß, die den starken Geruch nach verbranntem Palmöl und Zwiebeln von sich gab. Mitten auf seiner blauen Krawatte leuchtete ein viereckiger roter Fleck. Das Büro war schmal und lang wie ein Flur, und sein Schreibtisch stand am Ende neben dem Fenster, das auf die Kaserne sah. Aktenordner stapelten sich auf dem Tisch, aus denen die Papiere herausquollen und mit einem alten Computer, einem Heftgerät, einem steinernen Briefbeschwerer und natürlich der Essensdose um Platz rangelten. Er aß geräuschvoll und schmatzte mit offenem Mund. Es war ein anspruchsloser Laden mit zwei ebenso unscheinbaren Frauen, die am anderen Ende des Flurs an zwei Computern arbeiteten.
    Der Chefredakteur in seinem zerknitterten, zu großen Anzug mit der Krawatte sah sogar noch unscheinbarer aus; er wäre auch als Apparatschik in einem der grauen Ministeriumsbetonbauten durchgegangen. Nachdem ich mich vorgestellt hatte, wollte er einzig wissen, wann Zaq zurückkäme. Als ich ihm sagte, dass Zaq krank sei, sah er mich skeptisch an.
    »Richten Sie ihm aus, er soll hinmachen und gesund werden, sonst streiche ich ihm die Bezüge.«
    »Ich

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