Öl-Connection
Su-Feng war nicht immer Pirat gewesen, nicht der Sohn eines Piraten, der die Tradition fortführte und die Schiffe beraubte. Sein Vater war Beamter gewesen, ein braver Mann in der Kleinstadt Bach Ma, in der Nähe der alten Kaiserstadt Hue, gerecht und beliebt, denn er versah das Amt des Rechtssprechers und urteilte immer nach dem logischen Verstand. Sein Sohn Su-Feng sollte einmal sein Amt übernehmen, und so besuchte Su-Feng die Hochschule von DaNang und lernte fleißig. Damals hieß Vietnam noch Indochina, die Franzosen waren im Land und herrschten mit allen feudalen Privilegien, und auch Su-Feng hatte viele französische Freunde, zog mit seinen Kommilitonen durch die Kneipen, Bars und Bordelle, soff bis in den Morgen hinein und war berühmt dafür, in einer Nacht vier Weiber zu vögeln, ohne daß ihm die Zunge aus dem Halse hing. Er wäre auch nach seinem Austoben ein guter Beamter geworden, aber da tauchte Ho Chi Minh auf, begann mit seiner Guerilla-Armee Krieg gegen Frankreich und die USA, siegte trotz der Übermacht der Weißen und hielt ein Strafgericht über alle ab, die einmal mit Frankreich oder den USA zusammengearbeitet hatten.
Auch Su-Fengs Vater fiel der Säuberung zum Opfer. Man erschoß ihn auf dem Marktplatz von Bach Ma. Die Soldaten brauchten neun Schüsse und einen Genickschuß, bis er endlich tot war. Su-Fengs Mutter stieß sich ein Messer ins Herz, und seine beiden Schwestern, Lehrerinnen an einer katholischen Schule in Huë, wurden vergewaltigt und gefoltert und starben, nachdem man ihnen ein Bajonett in die Scheide gestoßen hatte.
Su-Feng konnte fliehen und erreichte nach einem halben Jahr Fußmarsch durch die Dschungel von Laos und Kambodscha die thailändische Grenze. Er kam bis in die Hafenstadt Sattahip am Golf von Thailand, und da man einen Beamten aus Vietnam, wie es jetzt hieß, nicht beschäftigen konnte, bewarb er sich bei dem kleinen Schiffsbesitzer Kham Phak Nam, der ein altes Holzboot besaß und damit Früchte und Gemüse transportierte. Hier lernte er die Grundzüge der Seefahrt, aber er lernte auch, wie man Vietnam-Flüchtlingen, die zu Tausenden auf armseligen, verrotteten Kähnen und kleinen Fischerbooten in das Südchinesische Meer flüchteten, in der Hoffnung, von Handelsschiffen aufgefischt und in Sicherheit gebracht zu werden, auflauerte, sie überfiel, die Boote eroberte, ihnen ihre letzten Habe wegnahm, die Männer über Bord warf, die Frauen vergewaltigte, die Kinder erschlug, um dann blitzschnell in der Nacht oder im Morgennebel zu verschwinden, bevor man von den großen Schiffen entdeckt wurde.
Damals, als das Schicksal der ›Boatpeople‹ die ganze Welt bewegte und die reichen Länder sich nur zögernd dazu entschlossen, den Ärmsten der Armen Asyl zu gewähren, tauchte zum ersten Mal der Name Nyen auf. Überlebende der Massaker auf See berichteten, daß ein teuflisch grausamer Pirat das Südchinesische Meer durchkämmte und keine Gnade kannte. Die internationalen Organisationen setzten den Namen Nyen Su-Feng auf die Fahndungslisten, aber das war auch alles. In Thailand lebte er unbeschwert weiter, raubte weiterhin mit Kham Phak Nam, der nun drei Motoryachten besaß, kleinere Schiffe aus und kam wieder in die Schlagzeilen, allerdings ohne Namen, den man nicht feststellen konnte, als er das japanische Frachtschiff Okinawa enterte, die Fracht umlud und die Besatzung erschoß.
Nyen wurde immer raffinierter. Er besuchte die Nautikschule in Bangkok, bestand sein Kapitänsexamen, nahm stolz die goldbestickte Kapitänsmütze in Empfang, kehrte nach Sattahip zu seinem Lehrmeister und Gönner zurück, vergiftete ihn und übernahm die kleine Reederei. Nach einem Trauerjahr verkaufte er den ganzen Besitz, gab einen kleinen, aber superschnellen Privatkreuzer in Auftrag, den er bar bezahlte. Von da an war er verschollen. Man hörte erst wieder von ihm und seinem Schnellboot, als er die Wesermünde kaperte, die Schiffskasse mitnahm, mit dem klugen Kapitän Larsen sogar in der Offiziersmesse eine Flasche Champagner trank und dann wieder in der Weite des Südchinesischen Meeres verschwand. Der Name Nyen Su-Feng wurde zum festen Begriff für Seeräuberei. Er wurde so etwas wie ein Mythos.
Nyen richtete sich wieder auf und sah die Offiziere an Deck kommen. Er bemerkte, wie sie stutzten, als sie das fremde Schiff längsseits und die bewaffneten Piraten vor der angetretenen Crew entdeckten.
»O verdammte Scheiße!« rief Botzke aus. »Man hat uns gekapert!«
»Deshalb das Spiel
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