Öl-Connection
mit den Maschinen.« Smits wandte den Blick hinauf zur Brücke. Er sah Hammerschmidt mit bloßem Oberkörper auf der Nock stehen, neben ihm Kang und ein anderer Mann. Der Kapitän halb nackt – es war ein so unbegreiflicher Anblick, daß Smits zu stottern begann. »Sie haben ihn geschlagen und gefoltert … sie haben den Alten fertig gemacht.« Er wollte nach vorn stürzen, aber Botzke und Halbe hielten ihn fest.
»Halt's Maul!« zischte Halbe. »Es hat doch jetzt keinen Zweck durchzudrehen.«
Aber Smits schien die Haltung verloren zu haben. Er hob den Kopf weit in den Nacken und brüllte zur Brücke hinauf: »Ihr Saukerle! Ihr feigen Schweine! Laßt den Kapitän los, ihr Hurenböcke!«
Nyen drehte sich zu Hammerschmidt. »Meint er mich?«
»Er dreht durch. Nicht jeder kann Eingeschlossensein ertragen.«
»Wer ist er?«
»Mein Chief Donald Smits.« Hammerschmidt biß sich auf die Unterlippe. »Er dreht wirklich durch.«
»Davon kann ich ihn befreien.«
Nyen hob die Hand und winkte. Zwei Piraten rissen Smits aus den Armen von Botzke und Halbe, schleiften ihn zwei Meter weiter, warfen ihn gegen einen Container, und dann hoben sie ihre Maschinenpistolen und schossen. Von zwanzig Kugeln durchsiebt, von der Wucht der Einschläge in seinem Körper hochgerissen und herumgeschleudert, fiel Smits in sich zusammen. Als sei es ein Kommando gewesen, eröffneten die anderen Piraten das Feuer auf die Mannschaft. Die Männer schlugen übereinander, fielen über die Reling oder krochen schreiend über Deck. Nach einer neuen Feuergarbe war es still. Die Piraten stießen die Leichen ins Meer, drehten sich um, standen stramm und grüßten wie siegreiche Soldaten zu Nyen hinauf. Nyen grüßte ebenso stramm zurück. In seiner Truppe herrschte Disziplin, das hatte er sich von den Vietkong abgeschaut.
Hammerschmidt hatte die Augen geschlossen, als Smits im Kugelhagel tanzte. Als er sie jetzt öffnete, war das Deck leer, nur große Blutflecken bedeckten die Planken. Halbe und Botzke aber lebten noch. Sie hatten sich die Hände gegeben und drückten sich unversehrt an eine Containerwand. Abschied für immer.
»Mörder« zischte Hammerschmidt. Und dann lauter, heiser vor Entsetzen: »Mörder! Mörder!«
»Für manchen ist der Tod eine Befreiung vom Leben.« Nyen trat einen Schritt vom Schanzkleid zurück. »Wir gehören einer Zeit an, in der ein Mensch kaum noch einen Wert hat. Kapitän, sehen Sie sich Kang Yunhe an. Ist er nicht eine widerliche Ratte? Er meutert, besetzt das Schiff, nimmt Kontakt mit mir auf und will die Else Vorster, die Ladung und Sie an mich verkaufen. Ist das noch ein Mensch? Hat er eine Berechtigung zu leben?«
»Nyen«, Kang stieß sich von der Nock ab. Er zitterte jetzt und begriff, daß sein großes Spiel um Millionen verloren war. Wu Anming war der letzte gewesen, den man mit einem Genickschuß ermordet und über Bord zu den Haien geworfen hatte. Er hatte noch geschrien: »Ich bin doch euer Freund!«, aber seine Stimme wurde von den Schüssen übertönt. »Ich habe das Schiff ohne einen einzigen Toten übernommen …«
»Das war ein Fehler! Hast du geglaubt, ich kaufe ein Schiff mit Besatzung? Ich lasse fünfzig Augen und fünfundzwanzig Mäuler frei, die meinen Namen kennen, mich gesehen haben und mich gehört haben? Du wolltest ein Geschäft mit mir machen? Mit Nyen macht man nur Geschäfte, die er vorschlägt.«
»Ich … ich habe dir das Schiff zugeführt«, stammelte Kang.
»Schon wieder ein Irrtum: Ich habe das Schiff erobert. Und der Eroberer diktiert, nicht der Eroberte! Willst du uralte Weisheiten umdrehen? Ich habe an meiner eigenen Familie gelernt, was erobern heißt. Kang Yunhe, du bist ein häßliches Tier. Du beleidigst mein Auge.« Nyen sprach jetzt chinesisch, und plötzlich hatte er eine Pistole aus dem Gürtel gezogen und drückte mit dem Daumen den Sicherungsflügel herum. Es war eine sowjetische Nagan, ein altes Modell, aber von gewaltiger Durchschlagskraft. »Es gab in China einen Kaiser, der suchte eine goldene Nachtigall. Alle anderen Nachtigallen ließ er töten, um den Himmelsklang dieser einen Nachtigall zu hören und sie zu fangen. Es gab nicht einen einzigen singenden Vogel mehr, aber er konnte die goldene Nachtigall nicht finden. So wurde er alt, von Gicht und Fieber geplagt, humpelte an einem Stock herum und rief immer wieder: ›Wo bist du, mein Vögelchen? Wo bist du? Komm zu mir. Ich will dir einen Käfig bauen aus purem Gold und Edelsteinen, du sollst das beste Essen
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